♪♪♪♪♪ - C. Monteverdi: Il ritorno d’Ulisse in patria; Vesselina Kasarova, Malin Hartelius, Isabel Rey, Dietrich Henschel, Jonas Kaufmann, Orchestra La Scintilla, Nikolaus Harnoncourt; Regie: Klaus-Michael Grüber; Aufnahme 2002 (155‘)
♪♪♪♪♪ - Giovanni Paisiello: Nina ossia La pazza per amore; Cecilia Bartoli, Jonas Kaufmann, László Polgar u. a., Orchester des Opernhauses Zürich, Adam Fischer; Regie: Cesare Lievi; Aufnahme 2002 (120' + 46'. Dok.)
3 DVDs Arthaus Musik 109396; Surround & Stereo; Bild 16:9; Veröffentlichung D 06/2019, US/UK 08/2019 (449') – Rezensionen von Alain Steffen & Remy Franck
Bei Gelegenheit des 50. Geburtstags von Jonas Kaufmann, hat Arthaus Musik eine Dreierbox veröffentlicht, die einige der besten Videos des Tenors enthält.
Ein Geniestreich ist der Mitschnitt einer Fidelio-Aufführung aus der Züricher Oper. Welch eine atemberaubende Leonore (Camilla Nylund), welch ein subtiler Florestan (Jonas Kaufmann)! Allein wegen dieser beiden wundervollen Sänger ist dieser Fidelio ein Must. Aber der Käufer wird weiter verwöhnt, sei es nun mit Polgars stimmgewaltigem und sehr menschlichem Rocco, sei es mit dem dämonischen Pizarro von Alfred Muff, mit der liebenswerten Elisabeth Shue Magnusson als Marzelline oder dem lyrischen Christoph Strehl als Jaquino. Harnoncourt am Pult des bestens disponierten Züricher Opernorchesters leistet fast Übermenschliches und schenkt uns einen der wohl wunderbarsten Fidelios, die zurzeit auf Ton- resp. Bildträger zu haben sind.
Verantwortlich für die Inszenierung ist Jürgen Flimm, der Fidelio sehr modern, aber doch schlüssig in Szene setzt und dabei viel Wert auf die Psychologie der Charaktere legt. Die Geschichte bleibt verständlich und durch den Verzicht auf klassische Opernszenerie und -gestik wirkt dieser Fidelio sehr authentisch und spannend wie ein Thriller.
Sehr gut ist auch der Mitschnitt von Monteverdis Il Ritorno d’Ulisse in Patria. Der gestrandete Held auf Ithaka: Karg und ausgezehrt, willenlos neben sich stehend – den listenreichen Überwinder stellt man sich eigentlich anders vor. Überhaupt wirken die Figuren bei Regisseur Klaus Michael Grüber seltsam teilnahmslos, als ginge sie all das, was auf der Bühne geschieht, gar nichts an: Der Mensch ist ein Spielball, eine Marionette am Faden von Liebe, Schicksal und Vergänglichkeit scheint die Grundaussage in Grübers Regiearbeit für das Opernhaus Zürich. Er bewältigt einen kniffligen Spagat: Seine Inszenierung ist poetische Stimmungsmalerei, aber es gibt ständig was zu sehen; Dinge, die jeder für sich selbst auflösen muss. Das hält einen am Denken und tröstet darüber hinweg, dass Pénélope etwas monochrom als depressive Witwe im schwarzen Abendkleid gezeichnet wird.
Nikolaus Harnoncourt dirigiert ein Großaufgebot an historischen Instrumenten in einer eigenen Bearbeitung, die wohl seiner Version aus den 70er-Jahren entsprechen dürfte. Dabei wirken die Tempi ruhiger als in seiner Plattenaufnahme, die Verzierungen sind Beiwerk und nicht Hauptsache. Vesselina Kasarova erfüllt die Penelope mit bittersüßen Wonnen pursten Wohllauts, wobei sie vor allem die erdigen, baritonal-gefärbten Ausdrucksbereiche ihres Mezzos ins Spiel bringt. Fast noch eine Spur überzeugender: Dietrich Henschel als Ulisse, weil er die Partie gesanglich hervorragend meistert und auch noch begnadet agiert. Dass das übrige Ensemble durchwachsene Leistungen bietet, schmälert den überzeugenden Gesamteindruck nicht allzu stark.
Giovanni Paisiellos ‘Nina ossia La pazza per amore’ wurde 2002 im Opernhaus Zürich aufgezeichnet. Nina hat ständig Probleme mit ihrem Vater, der sie mit einem reichen Aristokraten verheiraten will. Sie aber liebt Lindoro. Die beiden Rivalen duellieren sich, und Nina glaubt ihren Geliebten tot, was sie zum Wahnsinn treibt. « Dieser Wahnsinn », so sagte die Interpretin Cecilia Bartoli in einem Interview, « ist aber auch eine Flucht, denn man weiß in der ganzen Geschichte nie so recht, ob es nun wirklich Wahnsinn ist, oder ob sie es nur spielt, um ihrem Schicksal, also der Heirat mit dem ungeliebten Aristokraten, zu entkommen. Dieser Wahnsinn ist also auch eine Befreiung. Die Alternative zur Heirat wäre, ins Kloster zu gehen und dort zu versauern. » Lindoro ist natürlich nicht tot und Nina ist nicht wahnsinnig. Das Liebespaar findet wieder zueinander. « Aber nur halbwegs: Ninas Vater gewinnt wieder Gewalt über sie, im Moment wo sie nicht mehr wahnsinnig ist. Man muss das Stück ein wenig zwischen den Zeilen lesen. Aber ich liebe solche vielschichtigen Rollen. Da kommen meine Fähigkeiten bestens zum Tragen. Es braucht viel Zeit und Ruhe beim Einstudieren. Und einen guten Regisseur. » Dieser gute Regisseur ist in vorliegendem Falle Cesare Lievi. Er bleibt innerhalb der Grenzen der Tradition und bringt die Mischung von Komik und Gefühlen sehr gut zum Ausdruck.
Adam Fischer arbeitet Hand in Hand mit ihm, und so kann sich die Musik vital und packend entfalten. Cecilia Bartoli ist stimmlich wie darstellerisch hervorragend, sowohl in Paisiellos Musik als auch in der mitreißenden Mozart-Arie ‘Ah, lo previdi’ (KV 272, nach einem Text von Paisiello) die in diese Oper eingebaut wurde. Alle anderen Rollen sind vorzüglich besetzt. Jonas Kaufmann singt die Rolle des Lindoro sehr bravourös, Laszlo Polgar ist ein exzellenter Graf und Juliette Galstian ist als Dienerin eine geradezu optimale Besetzung.
Three excellent video recordings with Jonas Kaufmann have been compiled as an homage to the German tenor at the occasion of his 50th birthday.