Man muss schon bis zum 3. Satz der Fantastique warten, um mehr zu bekommen, als eine gute Aufführung der Symphonie. Das will nicht heißen, dass die beiden ersten Sätze langweilig wären, sie werden sehr gut dargeboten, lebendig, teilweise auch sehr gefühlvoll, und mit exquisiten Farben, aber zum wirklichen Aufhorchen reicht es nicht. Aufhorchen lässt aber der dritte Satz, der an menschlicher Wärme und Gefühlskraft und dadurch auch an Rhetorik förmlich überquillt. Mehr als eine Beschreibung eines Bildes, ist Jordan die Belebung des Bildes mit menschlichen Gefühlen und Stimmungen gelungen.
Dem Gang zum Schafott fehlt es danach leider an Spannung und Gripp, und die dynamische Absonderlichkeit am Ende des Satzes macht nun wirklich keinen Sinn. Im letzten Satz hat sich Jordan so einiges einfallen gelassen, um den Hexensabbat möglichst wirkungsvoll werden zu lassen, und da helfen ihm vor allem die virtuosen Bläser der Wiener Symphoniker ganz toll!
Wenn für die Symphonie Fantastique (1830) Berlioz’ Liebe zu Harriett Smithson als Inspiration diente, war es bei Lélio (1831) seine Verlobte Camille Moke, die den Komponisten freilich für einen anderen Mann verließ (worauf er schließlich doch Harriett heiratete, allerdings dauerte die Ehe nicht sehr lange). Musikalisch dringt die Idée fixe aus der Symphonie Fantastique in das Monodrame lyrique Lélio hinein und verbindet die beiden Werke.
Lélio, das Alter Ego von Berlioz, ist ein Erzähler, und diese Rolle übernimmt hier der Bariton Jean-Philippe Lafont als packender (eigentlich auch sehr musikalischer) Interpret der Illusionslosigkeit des Komponisten. Auch die beiden Sänger in diesem Stück sind gute Interpreten. Der junge Tenor Cyrille Dubois singt mit seiner schön timbrierten, lyrischen Tenorstimme seine Beiträge sehr zart und empfindsam. Florian Sempey ist ebenso ausgezeichnet in der Chanson des Brigands. Zusammen mit dem überragenden Wiener Singverein und den exzellenten Wiener Symphonikern gelingt Philippe Jordan eine sensible und unpathetische, aber spannende Version von Lélio.