Das Streichsextett von Tchaikovsky bleibt trotz seines Titels mit der Anmutung an Italien musikalisch weitestgehend in Russland. Das wenige Jahre später von Schönberg komponierte Sextett Verklärte Nacht ist dem romantischen Idiom verhaftet. Dass beide dieses Genre wählten, mag insbesondere im Fall von Tchaikovsky erstaunen, der die beiden Sextette von Brahms, wie dessen Musik insgesamt, geradezu verabscheute. Aber vielleicht lag auch darin der Reiz, hier den eigenen Weg zu finden. Für die Einspielung dieser beiden Werke hat sich das David Oistrakh Quartet Unterstützung von zwei weiteren russischen Kollegen geholt.
Die Werke lassen sich in zwei Arten lesen, nämlich als Kammermusik eines erweiterten Quartetts oder als eigentlich schon sinfonische Werke großen Auftritts. Diese Interpreten haben sich für die intimere Deutung entschieden und landen damit genau im Ziel. Mit Energie, frischen, aber nicht waghalsigen Tempi und einer ausgeprägten Klangkultur voller Wärme gehen sie diese Musik, zunächst Tchaikovsky an und schöpfen so den sich bietenden vollen Klang aus. Doch bleiben sie auch immer unterhalb eines großspurigen Auftritts und einer orchestralen Anmutung. Gleichzeitig gelingt es ihnen, sowohl die großen Gefühle zu zeigen und doch auch einer objektiv betrachtenden, nicht übers Maß hinausschießenden Spielweise zu folgen. Damit zeigen sie die Musik in ihrer ganzen intensiven Breite und gehen nicht den gefährlichen Pfad des Zuckrigen. So zumindest erklingt der Tchaikovsky.
Bei Schönberg gehen sie dann doch noch einen Schritt weiter und lassen das Zeitalter des Jugendstils mit jedem Atemzug und jeder Pore aufleben. Die bedrückende Szene des Paares, das im nächtlichen Wald spaziert, wo die Frau ihrem neuen Freund gesteht, dass sie von einem anderen schwanger ist, wird in aller Intensität ausgekostet und durchaus auch schwülstig anmutendem Ton umgesetzt. Erst, als er dieses Kind als seines annehmen will und sogar die Natur diese Aussage mit neuem Licht bestätigt, kommt es zu einer erlösenden Lesart. Auch hier bleibt die immense Spannung erhalten, doch mischt sich auch Erleichterung darunter, so dass das Werk mit einem versöhnlichen Ausklang schließt.
Diese Interpretationen werden bei aller Detailfreude dank der spielerischen Eloquenz als verzehrende Musikwahrgenommen und nicht als analytische Aufklärungen. Aber gerade bei diesen beiden Kompositionen führt dieser Weg tief in die Seele der Werke. Und das ist gut so.
Tchaikovsky’s string sextet, despite its title with its suggestion of Italy, remains musically largely in Russia. The sextet Verklärte Nacht, composed a few years later by Schoenberg, is rooted in the Romantic idiom. That both composers chose this genre may be surprising, especially in the case of Tchaikovsky, who virtually detested Brahms’ two sextets, as he did with his music as a whole. But perhaps this was also the attraction of finding one’s own way here. For the recording of these two works, the David Oistrakh Quartet has enlisted the support of two other Russian colleagues.
The works can be read in two ways, as chamber music of an extended quartet or as actually already symphonic works. These performers chose the more intimate interpretation and landed right on target. With energy, fresh but not reckless tempi and a distinct sound culture full of warmth they approach this music, first Tchaikovsky, and thus exploit the full sound that is offered. But they also always remain below a grandiloquent performance and an orchestral impression. At the same time, they manage to show both the big emotions and yet also follow an objectively observant style of playing that does not overshoot the mark. Thus they show the music in all its intense breadth and do not go down the dangerous path of the saccharine. At least that is how the Tchaikovsky sounds.
In Schönberg’s case, however, they go one step further and bring the age of Art Nouveau to life with every breath and every pore. The oppressive scene of the couple walking in the forest at night, where the young woman confesses to her new boyfriend that she is pregnant by another, is savored with all intensity and quite sultry in tone. Only when he wants to accept this child as his, and even nature confirms this statement with new light, does a redemptive reading occur. Here, too, the immense tension remains, but relief is also mixed in, so that the work closes with a conciliatory ending.
These interpretations, for all their attention to detail, are perceived as consuming music, thanks to their playful eloquence, rather than as analytical elucidations. But in the case of these two compositions in particular, this path leads deep into the soul of the works. And that is good.