Der georgische Komponist Gya Kancheli (1935-2019) hat sieben Symphonien komponiert. Sie sind zusammen mit zwei anderen Kompositionen auf 5 CDs von Cugate zu hören, die früher schon einzeln veröffentlicht wurden.
Gya Kanchelis Werke haben einen ziemlich gleichbleibenden Stil. Meistens drehen sie um “das nächtliche Dunkel” über seinem Heimatland Georgien. Kancheli komponierte die Symphonien alle, als sein Land unter Hammer und Sichel zu leiden hatte. Entsprechend düster und hoffnungslos ist die Musik.
Glaubt man dem Komponisten, dann interessiert ihn gar nicht, ob ein Werk progressiver ist als ein anderes, ob seine Musik sich im Vergleich zu anderer zeitgenössischer Musik einer bestimmten Stilrichtung oder Schule zuordnen lässt oder sich einer solchen Klassifizierung von vornherein entzieht, denn der Komponist beteuert, er schreibe grundsätzlich für sich selbst. Gleichzeitig jedoch hofft Kancheli, « … dass das Publikum von meinen Kompositionen berührt wird und meine absichtliche Einfachheit nicht mit dem Phänomen verwechselt, das meiner Meinung nach das gefährlichste ist – dem Gefühl der Gleichgültigkeit. »
Schon die zwei ersten Symphonien zeigen die Zerrissenheit der Musik, die sich zwischen extremer Dramatik und Klangwucht sowie tiefer Stille bewegt.
Kanchelis 3. Symphonie geht vom thematischen Material eines nordgeorgischen Begräbnis-Klagelieds aus. Voller Gegensätze, mit extremen dynamischen Sprüngen (Achtung beim Abhören, da bei zu hoher Lautstärke Schäden an der Stereo-Anlage möglich sind), ist diese 3. Symphonie ein faszinierendes Werk, das der Fantasie und der Erlebnisfreudigkeit des Zuhörers ebenso wenig Grenzen setzt wie die Symphonien Nr. 4 und 5.
Die Sechste Symphonie kann ich mir als Filmmusik zu einem Streifen über den Ausbruch eines Vulkans immens gut vorstellen. In dieser Sechsten wechseln sich meditative Teile von berückendem Lyrismus ab mit Passagen, die extreme Kraftausbrüche enthalten. In ihrer Einfachheit ist die Tonsprache des Komponisten ergreifend, und selbst die Siebente Symphonie, ein frei zusammengefügtes Konglomerat von Themen und Zitaten, ist unschwer als ein auf sehr nachdenkliche Art aufgebautes musikalisches Resümee zu werten. Dabei hat die Musik eine Dramatik, die einen auch nach mehrmaligem Abhören noch immer spannungsvoll erwarten lässt, was denn nun geschehen möge.
Light Sorrow für Solisten, Kinderchor und Orchester wurde 1984 vom Leipziger Gewandhausorchester und dem Peters Verlag in Auftrag gegeben, um den vierzigsten Jahrestag der Niederlage des Faschismus zu begehen. Es wurde von Kancheli allen Kindern gewidmet, die im Zweiten Weltkrieg umgekommen sind.
Mourned by the Wind ist ebenfalls ein Auftragswerk, das 1984 für die West-Berliner Festwochen und zum Gedenken an Kancheli’s engen Freund, den Kritiker Givi Ordzjonikidze, geschrieben wurde.
Alle Werke werden vom Symphonie-Orchester Tbilisi unter Jansug Kakhidze spannungsvoll und brillant dargeboten. Die Aufnahmen sind technisch perfekt gemacht, und so stellt diese Box mit 5 CDs eine hervorragende Hommage an Kancheli dar.
P.S. Dass für die beiden Werke Light Sorrow und Mourned by the Wind die Namen des Chores sowie der Solisten nicht angegeben werden, ist eine inakzeptable Schlamperei des Berliner Labels.