Unter der Leitung des heute 82-jährigen Isaac Karabtchevsky, einem brasilianischen Dirigenten russischer Abstammung, sorgt das Symphonieorchester aus Sao Paulo für weitere sehr gute Einspielungen von drei Symphonien von Heitor Villa-Lobos, dem Gründervater der brasilianischen Symphonik. Ihm fehlte es nie an originellen und abwechslungsreichen musikalischen Einfällen. Davon zeugen die meisten seiner Werke.
Als junger Musiker bereiste Villa-Lobos Brasilien und nahm die vielen musikalischen Einflüsse des Landes auf, die den portugiesischen, afrikanischen und indianischen Kulturen entstammten. Als er das Gehörte in seinen Werken mit den Prinzipien westlicher Klassik mischte, stieß er vielerorts auf Unverständnis. Igor Stravinsky sagte einmal, immer wenn er Musik hörte, die ihm nicht gefiel, sei Villa-Lobos der Komponist gewesen.
Doch vom anfänglichen Erstaunen erholten sich die meisten Zuhörer, und als sich Villa-Lobos mit Unterbrechungen von 1923 bis 1930 in Paris niederließ, wurde seine Musik in der französischen Hauptstadt recht populär. Seine Kompositionen waren sehr bunt und ähnelten nicht der Art von Musik, die das Publikum zu hören gewohnt war. Und als er nach Brasilien zurückkehrte, wurde er auch dort zu einer Ikone der Klassik.
Nur seine Symphonien blieben ein Stiefkind seines umfangreichen Werkkatalogs. Der Dirigent Karabtchevsky schrieb dazu in einem Begleittext zu seinen Aufnahmen: « Within the vast oeuvre of Villa-Lobos, his symphonies had suffered the most. I have never understood the reasons for this indifference. Could it be a consequence of the composer’s counter-intuitive decision to give the title of ‘symphony’ to a composition that was obviously rhapsodic, much closer to his Choros or Fantasias than to the rigour of the sonata form? Or was it due to the apathy of the performers when faced with the need to recover the content of a language hidden in scribbles and manuscripts that are difficult to read? »
Der Dirigent nahm sich vor, die Naxos-Aufnahmen akribisch vorzubereiten. Und er hatte offenbar verstanden, wo das Hauptproblem lag: « Villa-Lobos’s world is actually that of Brazilian popular music: his own instruments were the guitar and the cello and, taking his lead from Bela Bartok, his first step was to try to transpose these elements to so-called classical music. For these reasons, knowledge of the Brazilian choro tradition and making the characteristically Rio de Janeiro rubato fit the long melodies in unison or octaves are fundamental. It is impossible not to permeate the rhythmic structures with accents – not necessarily written on the score – which give the performance a Brazilian feel, similar to that sought when performing a piece inspired by jazz. »
Villa-Lobos hat 12 Symphonien komponiert, aber die Fünfte ist verloren gegangen. Mit den Symphonien Nr. 8, 9 und 11 vervollständigt Naxos nun die Reihe von der dritten bis zur zwölften Symphonie, und es fehlen nur noch die beiden ersten Symphonien.
Die drei Werke dieser CD sind im Grunde neoklassisch und fallen durch eine ungewöhnliche Rhythmik auf. Und gerade, weil er die Ursprünge kennt, sorgt Karabtchevsky für eigentlich sehr aufregende Einspielungen. Ein Musterbeispiel dafür sind die drei Finalsätze, die der Dirigent geradezu frenetisch werden lässt. Aber die drei kurzen Symphonien werden auch in ihren übrigen Sätzen gut und ausdrucksvoll musiziert, wobei die ungewohnte musikalische Gestik des Komponisten immer wieder erstaunt.