Frau Ruckgaber, als Sie darüber nachgedacht haben, Ihr Debütalbum aufzunehmen, hatten Sie da gleich diese ungewöhnliche Idee im Kopf, die sich nun auf ‘Love and Let Die’ als eine Art ‘gesungene Kriminalgeschichte in Liedern’ präsentiert?
Die Idee entstand abends auf dem Wohnzimmersofa. Gerade schaute ich eine Krimiserie, und da ich den Tag damit zugebracht hatte, für einen Veranstalter neue Liederabendprogramme zu entwerfen, vermischte sich beides, Krimi und Lied, und so fragte ich mich halb im Scherz: Kann man nicht auch mal ein Programm entwickeln, das anders ist? Könnte ich versuchen, aus verschiedenen Liedtexten und Stilen eine zusammenhängende, in sich logische neue Geschichte zu bilden? Eben vielleicht sogar eine Geschichte mit Crime-Element. Am nächsten Morgen habe ich dann angefangen, meine Mosaiksteinchen für die Geschichte zu suchen.
Der Titel des Albums erinnert an einen bekannten James Bond-Film bzw. an den dazugehörigen Song von Paul McCartney and The Wings. War das Absicht oder Zufall?
Natürlich kenne und schätze ich den Song ‘Live and Let Die’ von Paul McCartney, noch präsenter aber habe ich die Coverversion von Guns ´n Roses im Kopf, die ich vor ein paar Jahren live im Konzert erlebt habe.
Als ich auf Titelsuche war, sind mir dann die beiden großen Themen meines Albums, das Lieben und (gewaltsame) Sterben im Kopf herumgeschwirrt. Über Wochen habe ich mit den Worten Love/ Die/ Crime/ Scene/ Dead etc. gespielt- am Ende schien mir ‘Love and Let Die’ am stimmigsten, was die Intention meiner Geschichte auf dem Album angeht: Es geht ums Lieben und Sterben (lassen) und eben um das pralle Leben an sich.
Haben Sie Sorge, dass das Konzept Ihres Albums evtl. als Idee so ungewöhnlich oder auffällig ist, dass es vom musikalischen Inhalt des Albums vielleicht sogar ein wenig ablenkt?
Eigentlich nicht. Man kann das Album auch ganz ohne Konzept hören. Dann ist es eben eine sehr abwechslungsreiche Reise quer durch drei Jahrhunderte Kunstliedgeschichte.
Durch das ungewöhnliche Konzept hat der Hörer aber den Mehrwert, das Album immer wieder etwas anders hören zu können.
Hat es ein bestimmtes Lied gegeben, das sozusagen die Initialzündung für das Album war?
Die Initialzündung war die Idee selbst. Zuerst wusste ich natürlich nicht, ob es machbar sein würde.
Die größte Herausforderung war, passende Lieder über das Morden, die Konkurrentin und eine Leiche zu finden. Als ich diese Stücke gefunden hatte, wusste ich, dass ich alles hatte, was ich brauchte.
Wenn man den Gedanken nachvollzieht, Lieder neu zusammenzustellen, die inhaltlich kongruent eine Geschichte über den zeitlichen Ablauf eines Albums erzählen sollen, stelle ich mir das ziemlich schwierig vor. Wie sind Sie bei der Auswahl der Lieder vorgegangen?
Zuerst habe ich die Geschichte in Stationen gegliedert. Meine Erzählerin beginnt mit dem Suchen und Finden der Liebe. Dann kommen ihr Zweifel an der Treue ihres Mannes, schließlich trifft sie auf die Kontrahentin, ermordet sie, ehe sie über ihre Tat dem Wahnsinn verfällt.
Zudem war mir wichtig, dass immer die Möglichkeit mitschwingt, dass der Mord am Ende nur ein Gedankenspiel meiner Erzählerin war. Ich will da mehrere Lesarten oder, besser gesagt, Hörweisen zulassen.
Was mir gefällt, ist, dass einige der Texte dadurch anders interpretiert werden können. Nehmen wir Georg Kreislers ‘Mach´s Dir bequem, Lotte’: Das ist natürlich eigentlich ein Stück, in dem ein Mann eine Frau zu sich nach Hause einlädt, um – sagen wir es diplomatisch –, nicht ganz einvernehmlichen Geschlechtsverkehr zu haben. Nun bekommt dieser exakt gleiche Liedtext in meiner Geschichte, allein durch den anderen Kontext, in dem er erklingt, eine völlig andere Bedeutung: Er wird zu einem Mordstück an der Kontrahentin Lotte. Mir war es sehr wichtig, nichts an den Texten zu verändern. Ich maße mir nicht an, in dem Werk eines Komponisten oder Dichters herumzufuhrwerken. Das ist mir heilig. Aber in meiner Geschichte, taucht das Psychogramm einer Mörderin das ein oder andere Lied eben in ein neues Licht. Diesen Spaß und das Maß an künstlerischer Freiheit habe ich mir erlaubt.
Gab es auch Fälle, wo Sie mal gedacht haben: Hier ist die Musik zwar schön, aber der Text passt leider nicht ins Konzept oder vielleicht auch: Hier passt zwar der Text, aber die Musik passt nicht zum Album?
Oh ja, diese Fälle gab es! Aber das war auch eine schöne Herausforderung, am Ende ausschließlich Lieder auf der CD zu vereinen, bei denen immer beides stimmte: Text und Musik. Ich hoffe, das ist mir gelungen.
Letzten Endes hatten Sie durch die Idee mit der zusammenhängenden Kriminalgeschichte natürlich eine tolle Grundvoraussetzung, um ein äußerst vielfältiges Repertoire zu präsentieren: Von Mozart bis Weill, von Schubert bis Berio. Meinen Sie, dass so ein Album-Motto dabei helfen kann, einem Publikum oder vielleicht auch Konzertveranstaltern auch solche Musik schmackhaft zu machen, die es manchmal vielleicht nicht so ganz leicht hat, weil sie beim großen Publikum allgemein als schwierig gilt?
Es hat mir große Freude gemacht, mich mit dieser Vielfalt zu zeigen und ja, ich glaube unbedingt, dass wir gut daran tun, die vielgespielten Klassiker immer wieder mit einer Prise unbekannterer Musik zu würzen.
Interessanterweise stelle ich immer wieder fest, dass mich Konzertbesucher nach einem Liederabend vor allem auf die eher selten gespielten Werke eines Programms ansprechen. Ich glaube, die Mischung macht es interessant. Der Liederschatz quer durch die Jahrhunderte birgt so viele Schätze, dass es doch zu schade wäre, nur die immer gleichen Gassenhauer zu spielen.
Wenn man auf Ihre bisherige Karriere schaut und auch einmal einen Blick auf die Alben wirft, bei denen Sie bereits mitgewirkt haben, so fällt auf, dass Vielfalt und die Neugier auf häufig auch ausgefalleneres Repertoire eine besondere Vorliebe von Ihnen zu sein scheinen. Stimmt das?
Stimmt, den Eindruck kann man bekommen. Wobei ich sagen muss: Das ausgefallene Repertoire auf meinen bisherigen CD Einspielungen hat oft den Weg zu mir gefunden – ich habe es nicht bewusst gesucht. Aber als ich angefragt wurde, habe ich mich immer sehr über die Herausforderungen oder auch schönen Entdeckungen gefreut.
Bei ‘Love and Let Die’ konnte ich nun aber zum ersten Mal völlig frei ein Programm ganz nach meinen Wünschen zusammenstellen. Darum sind natürlich neben ein paar Exoten auch etliche Herzenslieder mit dabei, die mich schon lange begleiten.
Sie sind eine erfahrene und etablierte Sängerin. Wie kam es nun genau jetzt dazu, dass Sie beschlossen haben, ein Soloalbum vorzulegen?
Aus eben diesem Wunsch heraus, jetzt erstmals ein Album völlig frei nach meinen eigenen Wünschen und Ideen zusammenzustellen. Ich habe mich bereit gefühlt. Und dann hat mir die Corona-Pandemie die nötige Zeit zur Vorbereitung gegeben.
Ihr Begleiter auf dem Album ist Jan Philip Schulze. Haben Sie schon früher mit ihm zusammengearbeitet? Wie haben Sie sich kennengelernt?
Wir haben uns in Zürich kennengelernt, als ich ganz kurzfristig in Wolfs Italienischem Liederbuch eingesprungen bin. Eine kurze Verständigung und das Konzert ging los. Eine Feuerprobe, die gezeigt hat, dass wir uns sehr schnell und ohne viele Worte beim Musizieren verstehen.
Der Part der Klavierbegleitung wird ja oft nicht hoch genug wertgeschätzt, was sich allein schon im Wort Begleiter ausdrückt, das sich so anhört, als entstünde hier gar keine richtig eigenständige künstlerische Leistung. Was bedeutet es denn für eine Sängerin, den richtigen Klavierbegleiter an zur Seite zu haben?
Das stimmt. Der Klavierpart eines Liedes ist keine Begleitung. Im Gegenteil, meist sagt er sogar weit mehr als wir Sänger, nur subtiler, da er ja ohne Worte wirkt. Er bereitet dem Sängerwort den Teppich, kommentiert, entlarvt manches Mal den gesungenen Text als unwahr oder verstärkt dessen Aussage. Er führt ein absolut gleichberechtigtes Eigenleben sozusagen.
Deshalb ist es von enormer Bedeutung, dass sich Sänger und Pianist gegenseitig inspirieren, vertrauen und eben gut zusammen schwingen.
Wie funktioniert eigentlich die musikalische Kommunikation bei einem Duo aus Sänger/in und Pianist/in? Ist das etwas, was einfach passen muss oder gibt es da auch bestimmte Techniken und Tricks, um aus zwei Musikern ein Duo zu formen?
Meiner bisherigen Erfahrung nach merkt man sehr schnell, ob es passt. Eine gute Voraussetzung ist natürlich schon einmal, dass man sich sympathisch ist. Und dann zeigen schon erste Proben, ob man gemeinsam atmet, ähnliche musikalische Ideen fühlt, aufeinander achtet etc.
Man muss das Gefühl haben, sich beim Anderen fallen lassen zu können. Dann singt man übrigens auch besser. Weil man sich tragen lassen kann. Bei Jan Philip Schulze kam hinzu, dass ich wenige Pianisten kenne, die einen Schubert genauso gerne und gut wie einen Kreisler oder Weill spielen.
Er ist da wahnsinnig experimentierfreudig, hat keine Scheu vor den unterschiedlichen Stilen und ist noch dazu tiefentspannt. Eine unwiderstehliche Mischung, oder?
Einige Lieder auf Ihrem Album sind ja wirklich sehr selten gegebenes Repertoire, und dabei fällt vor allem ‘Vorbei’ von Bruno Walter ins Auge. Viele wissen gar nicht, dass dieser berühmte Dirigent auch komponiert hat. Wie sind Sie darauf aufmerksam geworden?
Ich gestehe, dass ich es zunächst auch nicht wusste! Mir gefiel das Gedicht, dann habe ich gesehen, dass es vertont wurde und als ich las, wer der Komponist sein sollte, war mein Interesse geweckt. Es war eine kleine Odyssee, die Noten zu bekommen aber als ich sie dann endlich hatte, war ich begeistert von der Schönheit der Komposition. Ich freue mich, wenn ich dazu beitragen kann, dass Bruno Walter künftig auch als Komponist Anerkennung findet.
Was sind Ihre Pläne für die nähere Zukunft? Werden wir das Programm Ihres Albums zum Beispiel auch live auf der Bühne erleben können?
Wir wälzen gerade unsere Kalender und sind auf Terminsuche! Wir sind beide viel unterwegs, gerade bereite ich mich auf schöne Konzerte an der Alten Oper Frankfurt und auf mein Frankreich-Debut mit dem Orchestre National de France vor. Aber wir werden das Album auf alle Fälle live spielen, Pläne dafür gibt es bislang u.a. in München, Hannover und Frankfurt.