Kaspar Holten hat seinen ‘Don Giovanni’ ins 19. Jahrhundert verlegt und als Bühne steht ihm eine riesige Wand mit Türen und Treppen zur Verfügung. In diesem quasi abstrakten Raum, der mit Projektionen symbolisch bereichert wird, lässt er seine Sänger agieren. Das ist alles sehr effizient und erlaubt es dem Zuschauer, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, auf das Korrupte der Figur Don Giovannis, auf die düstere Kraft, die diese Oper beherrscht, deren Stimmungen Musik und Bühne in wechselseitiger Wirkung zum Ausdruck bringen, abschwächen oder steigern…
Holten streicht die Skrupellosigkeit der Verführungskunst Don Giovannis ungemein stark heraus, denn er will auf keinen Fall, dass sich beim Zuschauer irgendeine Sympathie für den Titelhelden der Oper aufbauen könnte. Das darf man natürlich bei den betrogenen Frauen, auch wenn ihre Mitschuld deutlich hervorgestrichen wird. Und Leporello ist in dieser Inszenierung keine Buffofigur, sondern ganz klar ein Follower, ein Famulus, der genau so lüstern den Frauen nachschaut wie sein Herr.
Die Inszenierung ist auch grandios in ihrer Bildwirkung und zeigt deutlich, wie der ‘Verbrecher’ in der Spirale seiner Untaten dem eigenen Ende entgegensteuert. Dieser ‘Don Giovanni’ ist definitiv kein ‘Dramma giocoso!’ Und damit trägt Holten der Musik Rechnung. Denn die passt zu seinem Konzept, und sein Konzept passt zur Musik, die es zum ‘Dramma tragico’ verdichtet.
Zu Holtens Konzept gehört wohl auch das Sängerensemble. Er muss es so gewollt haben: Gute Stimmen, aber keine ‘Stars’, um die Homogenität des Ganzen nicht in Gefahr zu bringen. Gute Stimmen, und willige Akteure, die die Charaktere genau so formen, wie es Holten von ihnen verlangt.
Mariusz Kwiecień ist ein guter Don Giovanni, stimmlich weitgehend untadelig und ein brillanter Schauspieler. Auch Alex Esposito ist als Leporello ein Sänger, der seinen Dienst ganz ordentlich versieht, jedoch nie mit sängerischen Glanzleistungen aufwartet. Das Gleiche gilt für Malin Byström (Donna Anna), während Véronique Gens stimmlich doch etwas herausragt und auch stimmlich eine scharf charakterisierte Donna Elvira abgibt. Die Zerlina ist gut besetzt mit Elizabeth Watts, Alexander Tsymbalyuk ist ein kraftvoll-viriler Commendatore, und nur bei Antonio Polsis etwas näselndem Don Ottavio ist eine Einschränkung nötig. Luisotti’s Dirigat ist professionell und gibt der Musik viel Ausdruckskraft.
Bild- und Tonaufnahmen sind von bester Qualität, so dass man diesen Londoner ‘Don Giovanni’ als wichtigen Beitrag in der Werkgeschichte ansehen kann.
Kaspar Holten’s ‘Don Giovanni’ is not meant to be a ‘dramma giocoso’, but a ‘drama tragico’ with its main character being as reckless as ruthless. The cast is homogeneous without any really extraordinary singing, except for Véronique Gens. Luisotti’s conducting is professional and gives the music a lot of strength. But this is above all Holten’s ‘Don Giovanni’, and as such an important contribution to the opera’s own history.