Ich gestehe gerne, dass Bernarda Fink eine meiner Lieblingssängerinnen ist, seit ich sie als Solistin in der 3. Symphonie von Gustav Mahler mit dem ‘Concertgebouw Orkest Amsterdam’ unter der Leitung von Mariss Jansons erlebt habe. Umso gespannter war ich, ihre Aufnahme mit Mahler-Liedern zu hören, gerade auch, weil sie selbst gesagt hat: « Wer Mahler verstehen möchte, kommt an seinen Liedern nicht vorbei »: Eine Binsenwahrheit, gewiss, aber sie muss erst einmal gesagt werden.
Überaus erfreulich ist, dass die Interpretin ihr Recital sehr eindringlich mit den frühesten Liedern von 1880, den Josephine Poisl, der Tochter des Vorstehers der Iglauer Telegraphenstation, dem ersten ernsthaften Flirt Mahlers zugedachten Lieder ‘Im Lenz’ und ‘Winterlied’ beginnt. Doch warum hat sie nicht auch ‘Maitanz im Grünen’, das dritte dieser auf eigene Texte komponierten Lieder aufgenommen?
Auch die nächsten Lieder sind das Ergebnis einer unglücklichen Liebe, jener zur Sängerin Johanna Richter in Kassel, und sie sind zu einem schon geradezu populären Zyklus geworden, diese Lieder eines fahrenden Gesellen, in denen so viel vom Geist der Winterreise von Schubert enthalten ist. Überraschenderweise aber greift Bernarda Fink weder auf die Klavierfassung, noch auf die opulente Orchesterfassung, sondern auf die Orchestrierung, die Schönberg für seinen ‘Verein für musikalische Privataufführungen’ in Wien geschaffen hat, da ihm nur wenige Instrumente zur Verfügung standen, zehn im Ganzen. Zwar ist die Interpretation von Bernarda Fink über jede Kritik erhaben – so eindringlich und nuancenreich hat man diese Lieder nur selten gehört – und doch erscheint die Schönberg-Fassung als ein Fehlgriff, auch wenn das Gustav Mahler-Ensemble ein überaus präziser Partner der Sängerin ist.
Überaus anrührend wird das herrliche Wunderhorn-Lied ‘Wo die schönen Trompeten blasen’ gesungen, und das Tonkünstler-Orchester Niederösterreich unter der Leitung von Andrés Orozco-Estrada erweist sich als akkurater Partner, genau wie es dies in den ‘Kindertotenliedern’ ist, die ebenfalls in der Orchesterfassung vorgestellt werden. In ihnen erreicht Bernarda Fink den Höhepunkt ihrer Gestaltungskunst: eindringliches Singen verbunden mit einem optimalen Textverständnis.
Dieser Höhepunkt hat sich kurz zuvor in einem weiteren frühen Lied, ‘Nicht wiedersehen!’ angekündigt, das erneut mit Klavierbegleitung dargeboten wird. Partner der Sängerin ist Anthony Spiri, der manchmal etwas ruppig vorgeht und nicht immer im geistig-seelischen Einklang mit der überragenden Interpretin ist. Das gilt besonders für ‘Ablösung im Sommer’, in dem ich seitens der Sängerin allerdings die hintergründige Ironie vermisse, und ‘Frühlingsmorgen’, das nach den ‘Kindertotenliedern’ dargeboten wird und da fehl am Platz ist. Hier sollte man aber auf die technische Qualität der Aufnahme hinweisen, die jedes Instrument so gut zur Geltung bringt wie die prächtige Stimme von Bernarda Fink.
Leider wird dann der Mischmasch der Begleitungen sehr fragwürdig: Bernarda Fink singt zwei der Rückert-Lieder, ‘Liebst du um Schönheit’ und das grandiose ‘Um Mitternacht’, das regelrecht nach großem Orchester ruft und das Mahler denn auch mit einer seiner grandiosesten Orchestrierungen bedacht hat. Beide werden nur mit Klavierbegleitung gesungen, ‘Ich atmet einen linden Duft’ und ‘Ich bin der Welt abhanden gekommen ‘ jedoch mit Orchester… Eine eigenartige Mischung, das ist wohl das Wenigste, was man hierzu sagen kann. Es kommt aber noch schlimmer: Warum hat Bernarda Fink das fünfte und für Mahler wichtigste Lied, ‘Liebst du um Schönheit’, sein ‘Privatissimum’ an Alma vom August 1902, einfach weggelassen? Das wird wohl für immer das Geheimnis der Sängerin bleiben.
Und so bleibt denn auch, bei aller Bewunderung für diese reifen und reichen Darbietungen ein Eindruck von Willkürlichkeit in der Konzeption der Aufnahme, die daher leider eher eine Kuriosität, denn eine wegweisende Auseinandersetzung mit dem herrlichen Liedschaffen von Gustav Mahler ist.
Though we hear some really superb performances on this disc, the overall impression is marked by an incongruous concept of the program.