Hermann Goetz: Klavierkonzert Nr. 2; Johannes Brahms: Klavierkonzert Nr. 1; Andrea Kauten, Klavier, Savaria Symphony Orchestra, Adam Medveczky; 2 CDs Solo Musica 284; Aufnahme 06/2017, Veröffentlichung 14/09/2018 – (91'27) – Rezension von Alain Steffen

Andrea Kauten ist eine Pianistin, die immer wieder positiv überrascht. Nach etlichen Soloalben stellt sie uns nun das 2. Klavierkonzert von Hermann Goetz vor, einem Zeitgenossen von Johannes Brahms, der allerdings schon 1876 im jungen Alter von 36 Jahren an den Folgen der Tuberkulose starb.

Das 2. Klavierkonzert hatte Goetz im Alter von 27 Jahren komponiert. Es ist ein Werk, das sich durch eine expressive Lyrik und eine eigentlich unaufgeregte Klarheit auszeichnet. Alles wirkt wohl durchdacht, das Hören macht Spaß, auch wenn die Aha-Momente beim ersten Mal noch ausbleiben. Hört man sich dieses Werk aber mehrmals an, wird man sich seinem Charme nicht entziehen können.

Andrea Kauten geht Goetz 2. Klavierkonzert sehr virtuos, kraftvoll rhapsodisch an. Es verwundert auch nicht, dass das Spiel der ungarisch-schweizerischen Pianistin viele Stilmomente eines Franz Liszt aufweist, insbesondere, was Farbespektrum, Dynamik und Charakter betrifft. Auch der ganz spezielle Klang des ungarischen ‘Savaria Symphony Orchestra’ unterstützt diese lisztsche Klangmalerei. Dieser Interpretationsansatz und vor allem das einerseits hochvirtuose, andererseits aber auch sehr reflektierte Spiel der Pianistin machen das Goetz-Konzert zu einer echten Entdeckung.

Eine Entdeckung, oder besser Neuentdeckung, ist auch die Wiedergabe des 1. Klavierkonzerts von Johannes Brahms. Was diese Interpretation auszeichnet, ist die musikantische Herangehensweise ohne große intellektuelle oder moderne Ansätze. Hier klingt Brahms nach Brahms. Keine Verschnörkelungen, keine Effekte auf der einen, keine Chirurgenarbeit oder Werkanalyse auf der anderen Seite. Ich kenne nicht viele Aufnahmen des 1. Klavierkonzerts, die einen ab der ersten Sekunde so packen und einen bis zum Schlussakkord nicht mehr loslassen, wie diese mit Andrea Kauten und dem ‘Savaria Symphony Orchestra’ unter dem sehr vitalen Adam Medveczky (dessen Name leider auf dem Cover und den CDs falsch geschrieben ist), ohne Zweifel einem Vollblutdirigenten der alten Schule. Hélène Grimaud mit Kurt Sanderling, Emil Gilels mit Eugen Jochum oder Gerhard Oppitz mit Sir Colin Davis sind eigentlich die einzigen Einspielungen, die meines Erachtens an diese heranreichen. Natürlich, der Klang hätte vielleicht etwas besser sein können und auch das Orchester spielt in einer anderen Liga als die Berliner Philharmoniker oder das Symphonieorchester des BR. Trotzdem, die Interpretation stimmt, weil alle ihr Bestes geben und von dem überzeugt sind, was sie machen. Und diese Spiellust lässt dann am Ende alle, Andrea Kauten, Adam Medveczky und das ‘Savaria Symphony Orchestra’ über sich hinauswachsen. Unser Glück, denn wir erleben hier einen phantastisch musikantischen und ungemein spannenden Brahms und machen zudem noch Bekanntschaft mit dem vergessenen Komponisten Hermann Goetz. Prädikat: besonders wertvoll!

It is eminently rewarding to discover Hermann Goetz’s Second Piano Concerto and no less fulfilling to hear Brahms’s Second Concerto with Andrea Kauten and the Savaria Symphony Orchestra conducted by Adam Medveczky. The performers won’t look for too many new ways of interpretation, they just play the music with much enthusiasm and commitment, and this brings us a really exciting recording.

Das Konzert zur CD-Release, bei dem Andrea Kauten beide Klavierkonzerte an einem Abend spielt, können Sie am Mittwoch, den 19. September ab 19.00 live aus dem Bartok-Saal in Szombathely als Live-Stream auf YouTube miterleben.

https://www.youtube.com/watch?v=OIRi7UiHa8I

 

 

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