‘Khovanshchina’ ist die wohl bedeutendste Komposition, die Mussorgsky bei seinem Tode unvollendet hinterlassen hat. Der erste, der eine spielbare Fassung dieser kostbaren Oper, die den Vergleich mit ‘Boris Godunov’ problemlos aushält, orchestriert hatte, war Rimsky-Korsakov gewesen, doch war er dabei ziemlich respektlos mit Mussorgskys Arbeit umgegangen. Erst Dmitri Shostakovich griff auf die originalen Orchestrierungsskizzen zurück und schuf eine Nachbearbeitung, die dem Komponisten gerecht wird. Auf sie stützt sich diese Produktion mit Claudio Abbado, der dazu noch den wirkungsvollen, von Igor Strawinsky 1913 für Diaghilev komponierten Schlusschor verwendet. Ein schöner Zwitter könnte man meinen, aber die Kreation an der Wiener Staatsoper, die am 21. Januar 1989 Premiere hatte, ist von bemerkenswerter Geschlossenheit.
Das ist schon durch die kluge Inszenierung von Alfred Kirchner bedingt, die sich Mätzchen entsagt und versucht, die komplexe Handlung so klar wie möglich aufzuschlüsseln. Der Regisseur tut es vermittels eindrucksvoller Bilder, wobei er ausgezeichnet von dem Bühnenbildner Erich Wonder und dem Kostümgestalter Joachim Herzog unterstützt wird. Altmeister Brian Large liegt in der Videoregie auf einer Wellenlänge mit den Produzenten und versteht es prächtig, ihr Konzept für den Bildschirm einzufangen. Leider wird bei diesem Konzept manchmal etwas zu plakativ vorgegangen, sodass es an Spannung zwischen den Charakteren fehlt. Dieser Mangel wird allerdings mehr als kompensiert durch die Intensität und Dramatik, die Claudio Abbado seinem Dirigat voller Nuancen, Differenzierungen und innerer Intensität gibt. Meisterlich ist, mit welcher Transparenz er spielen lässt, wie er die Klangwelten aufschlüsselt und zu einem dramatischen Ganzen zusammenfügt.
Abbado, der sich immer wieder für unbekannte Werke eingesetzt hat, hat mit dieser Meisterarbeit eine wesentliche Förderung Mussorgskys geleistet. Er wird dabei optimal unterstützt vom einfach wunderbaren Orchester, das seine Klangvorstellungen bestens umsetzt, und den herausragenden Chören aus Wien und Bratislava, die eine Symbiose eingehen und dem durch sie verkörperten ‘Volk’ die Rolle des eigentlichen, des wahren Protagonisten zukommen lassen, wie das auch in ‘Boris Godunov’ der Fall ist. Keine Schwachstelle gibt es bei den Solisten, die alle zu begeistern wissen. Der große Nicolai Ghiaurov als Prinz Iwan Chowansky dominiert mit seiner schönen voluminöser Stimme. Wenn sich ihm dann noch die ebenso eindrucksvollen Anatoly Kotscherga (als Schaklowity) und Paata Burchuladze (als Dossifej) zugesellen, kommt Begeisterung auf. Wladimir Atlantow, singt mit herrlich klarer Tenorstimme Iwans Sohn Andrej; weitere Kabinettstücke und individuelle Glanzleistungen bieten Ludmila Semtschuk als ‘Seherin’ Marja und Heinz Zednik als Schreiber. Der tragische Schluss, die Selbstverbrennung der von Zar Peter verfolgten Altgläubigen, ist bewegend. Kennt man solche Selbstvernichtungen von Sektenmitgliedern nicht auch aus den vergangenen Jahrzehnten? Das Hinzulernen scheint einfach nicht die herausragende Qualität der Spezies Mensch zu sein.
Using Shostakovich’s version, Claudio Abbado is excellent in his conducting; supported by a brilliant, flawless cast and an intelligent stage director his recording of this seldom performed opera is a masterwork.