Man braucht Nelson Goerner nicht lange zuzuhören, um seine Stärken in Beethovens Hammerklavier-Sonate auszumachen: eine außergewöhnliche klangliche Klarheit, schlanke Linien und eine sehr wache Vitalität fernab jeden intellektuellen Zugriffs kennzeichnen die Sonate.
Der erste Satz der Sonate op. 106 lebt nicht von kontinuierlichem Drängen, sondern von einer sehr differenzierten Erregtheit. Die dynamische Differenzierung und die Spontaneität der Gestaltung bereichern auch das nachfolgende Scherzo. Das Adagio sostenuto ist mit seinen 18 Minuten in der Nachbarschaft von Brendel und gut 10 Minuten entfernt vom langsamen Korstick, der in diesem Satz so treffend den einsamen Beethoven darstellte. Goerner ist da weniger vergeistigt, aber viel poetischer, mit wunderbar lyrischen Momenten voller Helligkeit und Nuancen, die schon auf Schubert hinweisen.
Der letzte Satz ist dramaturgisch spannend aufgebaut und eine perfekte Übersetzung von Beethovens ‘Atem der Freiheit’.
In den Bagatellen spielt Goerner sehr imaginativ, aber nie recherchiert. Stupend sind hier die dynamische Kontrolle des Spiels und die äußerst lebendige Artikulation. Und so intellektuell durchdrungen die Musik auch sein mag, so spontan wirkt sie trotzdem. Die Analytik verhindert weder Rhetorik noch Gefühle.
Die Tonaufnahme ist sehr ausgewogen, nicht zu direkt, nicht zu hallig und wird Goerners klarem Spiel und seiner feinsinnigen Musikalität sehr gut gerecht.