Nicolas Baldeyrou hat für seine Klarinette nicht nur zwei aufeinander bezogene Werke von Pierre Boulez eingespielt, nämlich Domaines mit Original und Miroirs, sowie Dialogue de l’ombre double, sondern zwei weitere zeitgenössische Werke. Es sind Bug von Bruno Mantovani und Assonance von Michael Jarrell. Schon allein wegen der im Gesamtbild kurzen Dauer drohen diese beiden Werke unterzugehen, was nur durch ihren eigenen Charakter und eine ebensolche gefestigte Interpretation vermieden werden kann.
Verglichen mit den Kompositionen von Boulez, die seine eigene Entwicklung mit 17 Jahren Abstand charakterisieren, zeigen sich mit den beiden anderen Werken verschiedene Linien jüngerer Musik.
In Jarrells Musik wechseln sich genauestens vorgegebene Passagen mit solchen, die vom Interpreten die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit fordern. In diesem Werk bezieht er sich auf eine altfranzösische Form des Reimens, die den scheinbaren Gleichklang aus gleichen betonten Vokalen in Worten nimmt und dadurch trotz unterschiedlichen Klängen im Übrigen einen gleichklingenden Charakter erzeugt.
Auf Programmierfehler bezieht sich Bug von Mantovani. Es ist ein äußerst virtuoses und instabiles Werk, eine musikalische Metapher für die durch einen imaginären Computerabsturz verursachte Störung.
Für Domaines von Boulez hat sich Baldeyrou mit seinen Kollegen vom Orchestre Philharmonique de Radio France umgeben. Vergleiche dieser Einspielung mit anderen sind nur begrenzt möglich, da das Werk variabel angelegt ist und somit jedes Mal abgewandelt wird. Die rund 50 Jahre alte Aufnahme aus der Entstehungszeit mit dem Ensemble Musique Vivante etwa ist einiges kürzer. Die neue Aufnahme lässt im Hörvergleich den Eindruck aufkommen, etwas prägnanter und neutraler zu sein, aber das ist vielleicht auch nur ein technischer Unterschied. Baldeyrou jedenfalls erweist sich als gestalterisch versierter Musiker, der das Werk sicher beherrscht und seine Stärken auch technischer Natur ausspielen kann. Seine Mitspieler nutzen die ihnen jeweils zugewiesenen Spielfenster, um prägnante Hörmarken zu setzen.
Im Dialogue de l’ombre double ist Baldeyrou sein eigener Partner im Zusammenspiel mit der zuvor aufgenommenen zweiten Klarinettenstimme. Und so bietet diese CD einen verdienstvollen Einblick in diese Seite moderner Bläserkompositionen, nicht nur für Klarinettenfanatiker