Es gibt nicht viele Klarinettenquintette, jedoch gehören die von Brahms, Reger und Mozart zu denen beliebtesten. So wie Mozart ab 1781 mit dem Virtuosen Anton Stadler befreundet war, so hat auch Brahms die Klarinette in all ihren Facetten erst zum Schluss seines Lebens richtig entdeckt, und zwar durch den Klarinettisten Richard Mühlfeld. Zwei Sonaten und das Quintett op. 115, gehören zu den letzten Werken von Brahms. Neben den späten Klavierstücken klingen diese Klarinettenwerke wie ein Testament, eine Retrospektive von Brahms’ Leben. Melancholie, Trauer, Resignation, aber auch Hoffnung kreuzen sich mit sehr intimen Gedanken, in denen seine Gefühle für Clara Schumann und die damit verbundene Hin- und Hergerissenheit so stark zu spüren sind wie in sonst keinem seiner Werke.
Mein Klarinettendozent sagte einmal, Brahms’ Klarinettenrepertoire klinge besser, je älter man werde. Sharon Kam und die hervorragenden Streicher (Isabelle van Keulen alleine sollte ein Begriff sein) bringen viele Emotionen in das Quintett ein. Doch zwischen Ruhe und Emotionsausbruch gibt es viele Stufen. Und nur allzu schnell neigen die Interpreten zum Übertreiben der Höhepunkte des Werkes und geraten in die Falle des Melodramas. Sharon Kam und ihr Quartett gehen bis hart an die Grenze dieses melodramatischen Pathos. Aber technisch ist gar nichts auszusetzen. Sharon Kams weicher, warmer, sanfter und etwas dunkler Klang passt sehr zu Brahms. Dennoch bleibt für mich die Aufnahme mit Karl Leister, dem ehemaligen Solo-Klarinettisten der Berliner Philharmoniker, und Streichern der Berliner Philharmoniker beim Label Deutsche Grammophon die absolute Referenz.
Max Regers Quintett wird zu Unrecht seltener gespielt. Dieses Werk scheint Sharon Kam besser zu liegen. Die Resignation und die Melancholie der Musik sind bei ihr gut aufgehoben.