Franz Liszt sagte einmal über seinen Komponistenkollegen Georges Bizet, dass dieser einer der besten europäischen Pianisten sei. Heute ist Bizets Verhältnis zum Klavier in den Hintergrund gerückt, und der französische Komponist wird fälschlicherweise nur auf wenige Werke wie ‘Carmen’, ‘Les pêcheurs de perles’ und die ‘Arlésienne’-Suiten reduziert. Dass er noch andere Werke wie Lieder und Klaviermusik komponiert hat, ist leider nur wenig bekannt und dadurch bedingt, dass diese kleineren Werke heute kaum aufgeführt werden und sich auch kaum ein renommierter Pianist damit beschäftigt.
Umso dankbarer sind wir den kleineren Labels (und natürlich auch dem größten Label, Naxos), dass sie sich immer wieder um vergessene Werke bemühen.
MDG präsentiert eine Auswahl von Bizets Klavierwerken mit einem Pianisten, der sich hörbar intensiv mit diesen Stücken beschäftigt hat und sie nicht nur als ‘vertragsmäßige Verpflichtung’ ansieht. Der 1988 geborene Johann Blanchard gehört zu den vielen exzellenten Pianisten, die man kennen sollte, auch wenn sie nicht zu den gemachten Stars der ersten Riege gehören, dafür aber nicht unbedingt weniger gut sein müssen.
Blanchard spielt Bizets Klaviermusik auf dem ‘Steinway Concert Grand Piano D Manfred Bürki’ von 1901, der eine andere, hellere und metallischere Klangfarbe hat als die meisten Flügel von heute. Warum sich der Pianist und die Produktionsfirma gerade für dieses Instrument entschieden haben, wird im Bocklet leider nicht erklärt. Wir wissen aber, dass MDG diesen Bürki-Flügel für eigene Zwecke erworben und auch restauriert hat.
Blanchards Interpretationen sind hervorragend, sprich ausgewogen, klar in der Linienzeichnung und präzise im Anschlag. Die sogenannten ‘französischen Klischees’ werden nicht bedient, vielmehr spielt Blanchard die Musik ohne nationale Färbung als absolute Musik, was insbesondere der Klavierfassung der ersten ‘Arlésienne’-Suite guttut. Auf der anderen Seite hält in Werken wie ‘Grande Valse de Concert’ oder ‘Chasse Fantastique’ der Pianist Blanchard den Virtuosen Blanchard im Zaum, so dass der Hörer auch hier eine sehr transparente, lebendige aber nie überzogene Lesart genießen kann. Klangtechnisch ist die Produktion vorzüglich.
Johann Blanchard plays Bizet’s piano music without stressing the French character, so to say as absolute music. He characterizes the inventive music with vitality and delicacy of feeling as well. Superb recording in the best MDG tradition.
Für den Interessierten seien hier die Informationen über den Bürki-Flügel nachgereicht, so wie es auf der Website von MDG vermerkt ist:
« Konzertflügel Steinway & Sons; Mod. D; Baujahr 1901 Nr.100398
Zu einer Zeit gebaut, als das Klavier, oder für Wohlhabendere ein Flügel, ebenso selbstverständlich in jedes bürgerliche Haus gehörte wie heute Videogerät und HiFi-Anlage, präsentiert sich mit diesem großen Konzertflügel ein Beispiel der Klavierbaukunst in ihrer Vollendung.
Während des gesamten 19. Jahrhunderts haben die Anforderungen der Pianisten die Klavierbauer zu immer neuen Entwicklungen veranlasst, die sich dann wiederum auf den pianistischen Stil der Virtuosen auswirkten. Diese Wechselwirkungen gehören zu den aufregendsten Prozessen der Musikgeschichte, an ihrem Ende standen zum Ausgang des vorigen Jahrhunderts die großen Künstler, die noch heute Zeugnis von einer einzigartigen Höhe des Klavierspiels ablegen. Liszt-Schüler wie von Sauer und Rosenthal, Schülerinnen von Clara Schumann wie Fanny Davies, Komponisten-Pianisten wie Rachmaninoff; die Einzelnen können immer nur Beispiele aus einer Vielzahl möglicher Nennungen sein.
Auf der Seite der Klavierbauer stehen in vorderer Reihe noch heute vertraute Namen wie Steinway, Bösendorfer, Bechstein, Blüthner und die inzwischen erloschene amerikanische Firma Chickering, deren Instrumente für ihre Klangfülle berühmt waren. Auch hier stehen einzelne Namen als Beispiele für viele.
Die kulturgeschichtliche Bedeutung dieser wechselseitigen Befruchtung von Virtuosen und Instrumentenbauern wird man ermessen können, wenn man sich vor Augen führt, dass in seinen wesentlichen Konstruktionsmerkmalen der vorliegende Flügel bereits mit einem heutigen fabrikneuen identisch ist. Hierbei ist allerdings hervorzuheben, daß dieses bemerkenswerte Instrument, das bereits durch sein außerordentlich schönes und lebendiges Palisanderholz-Furnier aus der schwarzen Masse üblicher Flügel hervorsticht, in langwieriger Handarbeit hergestellt wurde; im Unterschied zur heute üblichen Fabrikation, bei der modernste Maschinen zum Einsatz kommen. Es handelt sich also wirklich um ein Einzelstück, daher durfte natürlich auch die Restaurierung nicht als Konfektionsarbeit vorgenommen werden.
Die erste Begegnung zwischen dem Flügel und seinen späteren Besitzern fand in einem Gasthof im badischen Schriesheim statt, wo er als Klavier des Männergesangsvereins ‘Lyra’ stand. Äußerlich völlig ruiniert, ergab eine genaue Bestandsaufnahme, dass der innere Zustand ebenfalls beklagenswert war. Im Einzelnen stellte sich als notwendig heraus, den Resonanzboden und die Mechanik zu erneuern, eine neue Besaitung vorzunehmen, einen neuen Stimmstock einzubauen, um den festen Sitz der Wirbel weiterhin zu gewährleisten, und die lädierte Oberfläche aufzuarbeiten. Im Gefühl, hier ein Instrument von außerordentlicher Schönheit aus dem Dornröschenschlaf erwecken zu können, wurde das Risiko in Kauf genommen, dass letzten Endes der gewünschte Erfolg sich nicht einstellen könnte.
In der Klavierfabrik Steinway & Sons in Hamburg wurde der Stimmstock erneuert. Dann wurde bei der Bayreuther Firma Niedermayer nach genauen Vermessungen und unter Verwendung der alten Stege eine originalgetreue Kopie des irreparablen Resonanzbodens eingebaut, weiterhin wurden neue Saiten in Bass und Diskant aufgezogen. Der von dem renommierten Experten für Steinway-Instrumente Manfred Bürki vorgenommene mechanische Neuaufbau umfasste im Einzelnen: neue Hämmer (unter Verwendung der alten Hebeglieder), neue Dämpfertangenten und neue Dämpfer. Die kostbare Oberfläche des Instrumentes wurde in der Werkstatt des auf den Nachbau historischer Tasteninstrumente spezialisierten Nikolaus Damm in Hirschhorn bei Heidelberg behandelt.
Bis zum Ende der Arbeiten war nicht abzusehen, ob das Instrument die hohen Erwartungen erfüllen würde. Die inzwischen auf dem Flügel eingespielten Aufnahmen legen – nicht zuletzt zur Freude der Besitzer – ein ebenso beredtes Zeugnis von dem Erfolg der Restaurierung wie auch von der hervorragenden Qualität des Flügels ab, der sicher schon 1901 seine Erbauer stolz auf ihr Werk gemacht hat. »