Ohne einen Blick ins informative CD-Booklet zu werfen fiel dem Rezensenten zu dieser Musik sofort ein Begriff ein: Es ist einfach eine ‘köstliche Gemütsergötzung’, die einem die Lieder aus dem Opitianischen Orpheus, 1642 von Erasmus Kindermann (1616-1655) auf Gedichte von Martin Opitz komponiert, da bereiten. Und tatsächlich: Im Untertitel hat der Schöpfer diese Kleinodien barocker Liedkunst ‘Musicalische Ergetzlichkeiten’ genannt. Für die Interpreten also ein gelungenes ‘Quod erat demonstrandum’.
Die Sopranistin Ina Siedlaczek und der Tenor Jan Kobow sind zusammen mit dem United Continuo Ensemble genau die richtigen, diesen Schatz zu heben. Parallel zur CD von cpo ist im aeneus-Verlag eine Neuausgabe der hier gesungenen Noten erschienen. Und die Gestaltung durch die Künstler macht richtig neugierig darauf, zumal die Melodien äußerst eingängig sind, so dass man gar nicht mal so sehr das Gefühl hat, hier etwas bislang eigentlich Unbekanntem zu begegnen.
Das United Continuo Ensemble straft seinen Namen dabei mühelos Lügen, denn die sechs Musiker, die auf Violinen, Viola da Gamba und Violone, Harfe, Cembalo und Orgel musizieren, bieten klanglich weitaus mehr als eine reine Begleitung. Ihr Ton ist präsent und vielschichtig, rund und voll.
Kindermann hat die Opitz-Texte wie mit feinem Pinselstrich skizziert, die Stimmen erzählen die Geschichte lebendig und ansprechend, die Instrumentalisten steuern reichlich Klangfarbe bei – nicht nur in den Vorspielen und Interludien. So wird aus jedem Lied – das längste dauert knapp viereinhalb, das kürzeste gut zwei Minuten – eine eigene Szene: ein Schäferidyll hier, ein Liebeslied oder Moritat um die Vanitas emsigen Strebens da (mit dem sympathischen Ratschlag, stattdessen guten Wein zu trinken). Zuweilen ist die Aktualität der über 350 Jahre alten Texte frappierend.
Siedlaczek und Kobow glänzen mit ihren wundervollen Stimmen, die die Distanz des Kunstlieds behände überspringen und den Zuhörer in und mit diesen kurzen Sequenzen vollkommen für sich einnehmen. Der Komponist schrieb seine Liedsammlung zur Zerstreuung und zum Vortrag als humorvoll-nachdenkliche Hausmusik. Genau in diesem Geiste wird hier musiziert: ganz ohne Affekt und dadurch doch umso effektvoller, weil vor allem die zu entdeckende Musik im Rampenlicht steht. Sonaten für Violine und Basso continuo schaffen musikantisch zwei Ruhepole, nach denen man sofort wieder darauf brennt, weitere der insgesamt 18 Lieder aus Kindermanns Opitianischen Orpheus als Solo oder im Duett zu hören. Ein delikater Genuss – für die Vortragenden wie für den Zuhörer.