Wer je in den Genuss kam, einem Konzert mit Amandine Beyer und ihrem Ensemble ‘Gli Incogniti’ lauschen zu dürfen, hat ein lang nachhallendes wunderbares Erlebnis gehabt. Das ist etwa der Fall, wenn sie ihr ‘tägliches Brot’, die ‘Concerti grossi’ von Corelli präsentiert. Auch viele ihrer Aufnahmen sind Juwelen, wozu neben dem faszinierenden Spiel des Ensembles auch die makellose, den Charakter der Musik treffend einfangende Technik beiträgt.
Nunmehr haben sie sich der zweifelhaften Sonaten Johann Sebastian Bachs angenommen. Nicht etwa, dass die vorgestellten Werke von zweifelhafter Qualität wären, das ist ganz und gar nicht der Fall. Nicht eindeutig ist jedoch, ob es sich wirklich um Werk von Bach handelt. Zu seinen Zeiten gab es Begriffe wie Urheberschaft, Autorenschutz mindestens nicht im heutigen Sinne und damit auch kein Copyright. Damals wurde munter kopiert, natürlich von Hand und es finden sich oft Handschriften, die in der Handschrift des einen die Werke des anderen zeigen. Damals war das Kopieren aber nicht vornehmlich ein Klauen, auch das, sondern zumeist ein ehrendes und würdiges Zitieren, um die Qualität des Zitierten zu zeigen und ihn zu leben.
Zu den einzelnen Beziehungen der Komponisten zueinander und den Werken gibt das Beiheft zu dieser Aufnahme weitere Hinweise, etwa zum Herrn Goldberg, dem Namensgeber der Variationen von Bach.
Das Spiel von ‘Gli Incogniti’ in Sonatenbesetzung ist wiederum spannend, intensiv und unmittelbar mitreißend.
Der Leser wird sich nun fragen, warum trotz der lobenden Worte keine Top-Bewertung folgt. Trotz aller Begeisterung vermittelt die Aufnahme den Eindruck, in süße italienische Lebensgefilde geraten zu sein und nicht in die norddeutsche, evangelische Nüchternheit. Das mag man mögen oder nicht, oder diesen Unterschied gar nicht so sehen bzw. hören wollen. Aber so bietet sich das Hörerlebnis dem Rezensenten dar.