Zwar genoss Grieg in Leipzig Unterricht bei Moscheles und Reinecke, aber die eigentlichen Inspirationen kamen für ihn von anderen, wie Rikard Nordraak, Niels Wilhelm Gade und Ole Bull. Sie brachten auch den Bezug zu den Volksmusikkomponenten in sein Schaffen.
Als einzige Werkgruppe zeigen seine Violinsonaten die Auseinandersetzung des Komponisten mit einer klassischen Form. Die frische Erste, die volkstonhafte Zweite und die vielleicht noch am ehesten in neue musikalische Richtungen weisende Dritte Sonate sind auch eine Auseinandersetzung mit großen Geigern seiner Zeit. Ebenso wie die berühmten Instrumente des Geigers Ole Bull waren sie der Grund für die Entstehung eines, heute würde man sagen ‘Hot Spots’, für Geiger in Norwegen, wie beispielsweise der Besuch Eugène von Ysaÿe dort beweist. Außerdem sollte man immer daran denken, dass Grieg ein ausgezeichneter Pianist war und die Sonaten oft zusammen mit berühmten Violinisten aufführte, so dass zwar in der Benennung die Violine am Beginn steht, aber der Klavierpart mindestens ebenbürtig ist.
Trotz der gestreckten Entstehungszeit, zwei Jahre zwischen den ersten beiden und dann zwanzig Jahre danach erst die dritte, kann man alle drei Sonaten auch als eine Gesamtkomposition in Form einer Suite mit verschiedenen Stimmungen begreifen.
Diese Sichtweise meint man auch aus dem Spiel von Vinate Sareika und Amandine Savary herauszuhören. Die Aufnahme vermittelt ein durchgehend einheitliches Klangbild, das insbesondere bei Sareika von der Wildheit der norwegischen Landschaft inspiriert zu sein scheint.
Die lettische Geigerin und die französische Pianistin präsentieren die Sonaten mit einem natürlichen Fluss und Ausdruck. Die Geigerin hebt mit knackigem Ton das Selbstbewusste in den Kompositionen heraus. So hatte Grieg die Kritik von Gade, die Zweite Sonate sei zu norwegisch, er solle sich ändern, damit beantwortet, dass er sagte, das werde er tun, die dritte würde noch norwegischer. Die Pianistin dagegen nutzt die herausfordernden Klavierparts dazu, ihr Spiel musikalisch rund zu präsentieren. Von der Aufnahme her sind die beiden Musikerinnen angenehm direkt eingefangen.