Hans Knappertsbusch (1888-1965) war ein typisch deutscher Dirigent, der sich hauptsächlich den Werken von Beethoven, Brahms, Bruckner und Wagner widmete. Auf dieser CD mit Liveaufnahmen begegnen wir dem über Siebzigjährigen zunächst in Webers ‘Euryanthe’-Ouvertüre, die er sehr atmosphärisch und zum Teil extrem gefühlsvoll dirigiert. Schon in diesem kurzen Stück erleben wir ‘Kna’ als Gestalter von Farben und dynamischer Spannung, etwas, das seine großen Wagner- und Bruckneraufnahmen immer wieder auszeichnete.
Auf Anhieb scheint die Paarung Knappertsbusch-Geza Anda ungewöhnlich. Doch die beiden eher gegensätzlichen Charaktere finden sich dann in einer sehr schönen und für Knapperstbusch in den Ecksätzen relativ zügigen Interpretation zusammen, und Anda reagiert sehr sensibel. Im Largo entsteht eine wunderbar lyrische, sehr melancholische, aber auch zärtliche Stimmung.
Die zweite CD entspricht mehr dem, was man von Hans Knappertsbusch und seinem Dirigierstil kennt.
Zu derart langsamen Tempi, wie er sie in den Haydn-Variationen wählt, würde sich heute kein Dirigent mehr trauen. Und es muss tatsächlich wohl ein Mann vom Format eines Knappertsbusch sein, um die Musik so am Leben zu erhalten, um die Expansionsfähigheit der Musik so zum Wirken zu bringen. ‘Kna’ schafft damit eine ganz besondere Sphäre orchestralen Ausdrucks und kann die trotz dieser für uns so ungewöhnlichen Tempi organisch völlig verschmelzen.
Der Dirigent hat eine ähnlich ‘feierliche’ Version der Haydn-Variationen 1963 mit dem Stuttgarter Radio-Sinfonieorchester aufgenommen (Hänssler Classic), und den Wert beider Tondokumente kann man nicht hoch genug einschätzen, weil sie uns, genau wie jene der dritten Symphonie (ebenfalls bei Hänssler Classic), in eine andere Welt entführen, in eine Welt des Interpretierens, dem unsere Zeit nichts Vergleichbares entgegenzusetzen hat.
Beide Aufnahmen, die aus Stuttgart und die aus Köln, sind trotz eines identischen Dirigierstils sehr verschieden. Das Stuttgarter Orchester reagiert viel freier und warmherziger auf Kna’s Dirigieren, bei den Kölnern hat man den Eindruck, dass sie sich diesem besonderen Stil widersetzen. Daher kommt hier auch nicht dieses unendliche Wogen zustande, das die Stuttgarter Aufnahme so packend werden lässt.
Man muss bedenken, dass diese Aufnahmen 1963 entstanden, zu einem Zeitpunkt also, als Karajan seinen ersten Berliner Brahms-Zyklus aufnahm, und nicht nur er damit an den Antipoden dessen war, was ‘Kna’ machte. Und das Kölner Rundfunkorchester galt damals als ein sehr fortschrittliches, auch für zeitgenössische Musik engagiertes Orchester. Das alles mag zu diesem etwas starren Musizieren beigetragen haben, das sich so sehr von dem der Stuttgarter unterscheidet.
Für dieses neue Album aus Köln spricht die erste CD mit Weber und Beethoven. Für den Brahms aber empfehle ich ganz klar die Hänssler-Aufnahme aus Stuttgart (CD 93.177).