Als Benedikt Fohr 2001 auf den Intendantenposten des Philharmonischen Orchesters Luxemburg berufen wurde, erhielt er von der damaligen Kulturministerin Erna Hennicot-Schoepges explizit den Auftrag, das Orchester international zu positionieren, sprich wichtige Auslandstourneen zu organisieren. 2003 brach das OPL zu seiner ersten transkontinentalen Tournee auf, mit Konzerten in Macau, Guangzhou, Beijing, Shanghai und Seoul. 2004 führte es eine weitere große Tournee in die USA. Wichtige Tourneen in Europa folgten. Das Ansehen des Orchesters wuchs. Es war eine richtige Politik, die damals eingeschlagen wurde.
Ein Orchester, das keine Tourneen macht, sei ein Orchester, das zunächst stagniere und dann sterbe, sagte einmal der Intendant des ‘Ensemble Orchestral de Paris’, Georges Schneider, im Pizzicato-Interview. Die Rolle des kulturellen Botschafters soll man also in seiner Wirkung weder inwendig noch im Ausland unterschätzen.
Nun kann man zwar nicht sagen, das OPL mache keine Tourneen mehr: es war im Februar erst in Spanien und gibt demnächst einige Konzerte in Russland, und vielleicht war es übertrieben, im selben Jahr noch eine zudem sehr aufwändige Tournee in den Fernen Osten anzugehen. Trotzdem: eine Tournee abzusagen, ist ein extrem Image-schädigendes Vorgehen. So etwas spricht sich in der Branche sehr schnell herum und verunsichert die Veranstalter, die sich mit einem so wenig vertrauenserweckenden Orchester nicht die Finger verbrennen wollen. Für das OPL ist diese Absage eine katastrophale Blamage.
Doch damit nicht genug: Sie wirft auch ein höchst zweifelhaftes Licht auf das Kulturministerium. Dass die Philharmonie (als Veranstalter wohlgemerkt) ein zu hohes Budget hat und Budgetkürzungen verträgt, haben wir schon mehr als einmal betont. Aber wenn die Philharmonie 2014 unangekündigt ca. 900.000 Euro weniger an Subventionen erhält als 2013, dann zeigt dies, dass die zuständige Ministerin Maggy Nagel keine Ahnung hat, wie ein solches Haus funktioniert und nicht weiß, dass die Verträge für Konzerte langfristig abgeschlossen werden. Sie ist sich wohl nicht bewusst, dass mit unangekündigten, drastischen Kürzungen keine Planungssicherheit mehr gegeben ist und gegebenenfalls Kontrakte gekündigt werden müssen, die auch Konventionalstrafen mit sich bringen. Eine Null-Ahnung-Ministerin kann kein Ressort verkraften und das Kulturministerium schon gar nicht, denn Kultur funktioniert etwas anders als viele andere Bereiche des öffentlichen Lebens.
Und nach allem, was ich aus diesem Ministerium höre, hat Frau Nagel nicht nur Null Ahnung vom Kulturbetrieb, sondern sie hat auch als einziges Konzept für ihre Kulturpolitik das Sparen zum Kern ihres Handels gemacht. Statt als Kulturministerin entpuppe sie sich als Anti-Kulturministerin, sagte uns ein Insider.
Doch unsere Kritik endet nicht da. Sie richtet sich auch gegen die Leitung der Philharmonie. Dass es falsch war, drei große Tourneen in einem Kalenderjahr durchzuführen, habe ich bereits gesagt. Dass es falsch war, die China-Tournee abzusagen ebenfalls. Und das gilt umso mehr, als hier offensichtlich das Philharmonische Orchester Luxemburg der Leidtragende von Sparmassnahmen ist, die eigentlich in erster Linie die Philharmonie als Veranstalter treffen sollten.
Wenn es sich dieses Haus leisten kann, die besten Orchester der Welt zuhauf in Luxemburg spielen zu lassen, dafür irrsinnig viel Geld auszugeben und zudem noch die Eintrittskarten zu Niedrigstpreisen zu verkaufen, dann sollte vor allem bei diesem Sport gespart werden. Denn jedes abgesagte Konzert ist eine große und reelle Ersparnis. Eine abgesagte Tournee mag auch helfen, Geld zu sparen, aber das Orchester, seine Musiker und seine Verwaltung müssen auch bezahlt werden, wenn das Orchester nicht auf Tournee ist, sie kosten sogar Geld, wenn gar nicht gespielt wird.
Die Chinesen werden ohne das OPL leben können, aber das Fiasko China-Tournee wird dem Land Luxemburg noch auf Jahre hinaus Schaden bringen. Luxemburg hat seine Glaubwürdigkeit im internationalen Musikleben eingebüsst.