Beim ‘Florilegium Portense’ handelt es sich um den Titel eines Anfang des 17. Jahrhunderts gedruckten Kompendiums geistlicher Motetten in deutscher und vor allem lateinischer Sprache. Seinerzeit war sie bei Chören aller Art äußerst publik und sollte zur Andacht sowie zum Singen « ante et post cibum“, also vor und nach dem Essen dienen. Viele der dort zusammengetragenen Gesänge wurden auch an der Leipziger Thomasschule angestimmt, wo die Tradition des Chorgesangs vor den Mahlzeiten auch heute noch gepflegt wird.
Es sind freilich andere Stücke, die die Knaben da heute singen als jene, die das ‘Vocal Concert’ sowie die ‘Cappella Sagittariana Dresden’ unter der Leitung von Peter Kopp anlässlich des 400. Jahrestags der Veröffentlichung des ‘Florilegium Portense’ von 1618 für eine CD mit 17 Stücken ausgewählt haben. 15 lateinische und zwei deutschsprachige Motetten in Besetzungen zu vier bis acht Stimmen sowie divergierender Instrumentalbegleitung dokumentieren Vielfalt (und Sprachverhältnis) des Kompendiums anschaulich.
Hieronymus Praetorius, Orlando di Lasso oder Hans Leo Hassler sind natürlich gängige Komponistennamen, zu denen sich bislang vielleicht eher unbekanntere gesellen: Arcangelo Borsaro, Andreas Pevernage, Adam Gumpelzhaimer, Thomaskantor Sethus Calvisius oder Erhard Bodenschatz, der 1603 die erste Ausgabe jener ‘Blütenlese der ausgezeichnetesten Lieder’ in Leipzig publizierte.
Der aus professionellen und talentierten Laien bestehende Chor ist schlank besetzt, kann im Forte jedoch ‘mehr scheinen als sein’. Die Instrumentalbegleitung ergänzt die vokalen Register perfekt mit schönen Streichern, Orgel und Theorbe sowie präzisen Bläsern und verschmilzt zu einem dennoch stets transparenten Gesamtklang, bei dem Intonation und Diktion keine Wünsche offenlassen. Der Tuttiklang ist von eindringlicher Schönheit, die Solisten gliedern sich perfekt ein und bestechen durch ansprechende Schlichtheit, die sich ohne Wenn und Aber in den Dienst des vertonten Wortes stellt. Ob Dirigent Peter Kopp bei einigen Motetten agogisch und dynamisch zuweilen etwas deutlichere Akzente hätte setzen sollen, um die rhythmischen Eigenheiten noch mehr zu betonen, mag absolut im persönlichen Ermessen des jeweiligen Hörers liegen.
Die über weite Strecken wache und klangflächige Interpretation würdigt mit der Werk-Selektion stellvertretend die im ‘Florilegium Portense’ vertretenen 90 Komponisten aus verschiedenen Ländern, die für die drei Ausgaben von 1603, 1618 und 1621 zusammen 271 Motetten beisteuerten. Die vorliegende, feine Aufnahme, dokumentiert jedenfalls, dass die Sammlung weit mehr ist, als Thomaskantor Johann Adam Hiller urteilte, der die Stücke ab 1790 aus dem Repertoire der Leipziger nahm: Für ihn war sie schlicht ein « lateinischer Singsang, den Meister Bodenschatz zusammengeschleppt hat“.