Man fragt sich, warum die Werke für Violine und Klavier, – eigentlich müsste man für Klavier und Violine schreiben -, die Schubert komponiert hat, nicht stärker ins musikalische Bewusstsein gedrungen sind, zumal sie gespickt sind mit Schönheit. Zudem sind es deren nicht viel: drei Sonaten von März-April 1816, Schubert hatte demnach etwas mehr als 18 Jahre; sie wurden vom späteren Verleger ‘Sonatinen’ getauft, wohl um sie attraktiver für den Käufer zu machen: ‘Sonatine’ das klingt leichter, auch leichter zu spielen, nicht wahr? Sodann gibt es die Sonate A-Dur von August 1817, zuerst ‘Duo’ genannt, dann noch ein Rondo h-Moll von Oktober 1826, auch ‘Rondeau brillant’ geheißen, und schließlich das wohl bedeutendste Werk für dieses Instrumentenpaar, die Fantasie in C-Dur vom Dezember 1827, in die der Komponist das Rückert-Lied ‘Sei mir gegrüßt’ und Anklänge an ‘Nacht und Träume’ eingewoben hat.
Wie so oft im fatalen Leben Schuberts wurden die frühen Sonaten erst acht Jahre nach seinem Tod veröffentlicht: einen wirklichen Durchbruch fanden sie nur selten. Gesamtaufnahmen gibt es denn auch recht wenige. Einige sollen aufgezählt werden: Igor Ozim und Ilse von Alpenheim; Gidon Kremer und Oleg Maisenberg resp.Valery Afanassiev (fürs Rondo); Renaud Capuçon und Jérôme Ducros; Antje Weithaar und Silke Avenhaus; Ulf Hoelscher und Karl Engel; Carolin Widmann und Alexander Lonquich (nur die drei letzten Werke); Julia Fischer und Martin Helmchen (ohne die A-Dur-Sonate und die Fantasie), und schließlich Alina Ibragimova und Cédric Tiberghien.
Die beiden letzteren machen es nun den ‘Platzhirschen’ schwer. Sie spielen die drei frühen Sonaten in wunderbarem Einklang und mit herrlicher Tongebung. Ihre Verhaltenheit tut der Musik gut, sie kommt ganz selbstverständlich und natürlich daher. Die A-Dur-Sonate fasziniert durch die Art, wie die Interpreten die herrlichen Melodien zum Singen bringen und wie sie dynamische Spannungen schaffen. Dem ‘Rondo’ und der ‘Fantasie’ geben die beiden Interpreten nicht nur ihre Intensität und Klangschönheit, überzeugend ist vor allem ihr gegenseitiges Verständnis, so dass man sehr wohl von einer überragenden Partnerschaft sprechen darf.
Höhepunkt der Einspielung ist die C-Dur-‘Fantasie’, die man selten so selbstverständlich virtuos und gleichzeitig so einfühlsam und emotionsreich erlebt hat. Erfreulich ist, dass die Solisten eine Transkription des Rückert-Lieds ‘Sei mir gegrüßt’ D. 741, das die Grundlage der Variationen in der ‘Fantasie’ darstellt, als ergreifenden Schlusspunkt unter ihre bemerkenswerte CD setzen. Gidon Kremer, der für mich der Interpret schlechthin der Violinmusik von Schubert ist, hat ernsthafte Konkurrenz bekommen.
Powered by the outstanding partnership of Alina Ibragimova and Cédric Tiberghien, this CD is a serous competitor to Gidon Kremer’s recordings.