Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen gab unter ihrem Chef Paavo Järvi zwei Konzerte mit dem gleichen Programm auf ihrer Gastspielreise im Wiener Konzerthaus. Nach erfolgreichen zyklischen Reihen mit Beethoven, Brahms und Schumann ist das Ensemble nun bei den zwölf Londoner Sinfonien von Haydn angekommen. Wie sie drei dieser Werke darboten, berichtet Uwe Krusch für Pizzicato vom zweiten Auftritt.
Dass an diesem Abend bereits nach dem ersten Werk, der Sinfonie 102 in B-Dur, die Aufführenden mit starkem Beifall und sogar Bravo-Rufen bedacht wurden, mochte in einem klassischen Konzert verwundern. Aber diese Bekundungen waren höchst berechtigt. Agierte doch dieses Orchester aus Norddeutschland immer mit eloquent engagiertem Spiel. Auch andere Orchester, gerade bei kleineren Besetzungen, vermitteln oft einen besonders aufmerksamen Eindruck auf der Bühne. Aber bei der Kammerphilharmonie wurde dieser Eindruck noch verstärkt. Die Mitwirkenden pflegten vor allem bei den Stimmführern ein enges Miteinander, wie man es sonst wohl vor allem im Streichquartett finden kann. Außerdem sah man ein ausgeprägtes Minenspiel an verschiedenen Stellen im Orchester, das sehr deutlich Freude und Vergnügen am Geschehen ausdrückte.
Der Erfolg einer Darbietung wurde natürlich nicht dadurch allein bestimmt, aber dieses Miteinander konnte als Ausweis für die Bereitschaft gesehen werden, alles nur Erdenkliche zu tun, um die Musik ausdrucksstark und technisch höchstwertig zu gestalten.
Dass die Kammerphilharmonie und Paavo Järvi ein bestens eingespieltes Team sind, verwunderte nicht. Mit der Liebe zum Detail und akribisch in der Aufbereitung jedes Werkes forderte er sich und das Orchester. Doch das Ensemble zeichnete sich auch an diesem Abend durch lebendiges Spiel aus, das durch Neugier und Offenheit eine Frische generierte, die unmittelbar aufs Publikum übersprang und damit die Bravorufe geradezu herausforderte.
Bei Haydn kam dem Orchester seine begrenzte Mitspielerzahl zugute. Zusammen mit dem ohnehin lichten und feinsinnigen Zusammenspiel, das von technischer Beherrschung gestützt wird, wurden die drei Sinfonien, neben der genannten noch die 96. in D-Dur mit dem Beinamen Mirakel und die 103. in Es-Dur, mit dem Beinamen ‘Mit dem Paukenwirbel’, in vitaler Intensität und mit spielfreudiger Noblesse interpretiert. Dass Haydn inzwischen allgemein als höchst abwechslungsreicher Komponist gesehen wird, der seine Werke mit Witz und Raffinesse würzte, wurde mit so herausragenden Darstellungen einmal mehr herausgekitzelt.
Mit klangschön intonierten Soli der Bläser und der Streicherstimmführer, voran von Konzertmeister Daniel Sepec, zeigte das ohnehin kammermusikalisch angelegte Spiel, wie sicher und schnell die Musiker auf die dezenten, aber klar gezeichneten Dirigierhinweise von Järvi eingingen.
Als kleine Besonderheit darf die noch angebotene Ouvertüre zu Rosina von William Shield genannt werden. Shield, etwa eine halbe Generation jünger als Haydn, schuf dieses lustvolle Stück als Auftakt zu einem unterhaltsamen Werk, das, einer damaligen Sitte folgend, auf ein zuvor gehörtes gehaltvolleres Werk im Konzert folgte. Mit dudelsacknachahmenden Klängen bot dieses Stück leichter Verdauliches, ohne deswegen fad oder gar gehaltlos zu sein. Ein schweifziehender Komet mitten im Haydn Kosmos.
Wie schon erwähnt, gab es bei allen drei Sinfonien Bravorufe und stärkenden Applaus, so dass sich das Ensemble mit einem Csárdás zum Ende eines genussvollen und hervorragenden Abends bedanken konnte.