Gut ein halbes Jahr nach der Veröffentlichung der CD-Einspielung aus Freiburg folgt nun der Mitschnitt von der Deutschen Oper Berlin auf DVD- (oder auch Blu-ray). Damit kehrt die zwischenzeitlich völlig vergessene bzw. weggeschobene Oper nach rund 90 Jahren wieder an den Ort ihres ersten großen Erfolges zurück, wo sie auch jetzt wieder gefeiert wurde. Und das zu Recht.
Wenn man auch hier und da kleine Dinge anmerken kann, ist diese Aufführung und damit die Aufnahme im Moment als die Referenz für diese Oper anzusehen. Zuallererst mag man die Regie als zu glatt ansehen. In einem Raum neutralen à la Gerichtssaal treten in dunkle Büroanzüge gekleidete Herren auf, so dass das Bild somit wertungsfrei erscheint. Allerdings, hätte Loy irgendwelche Bezüge hergestellt oder Fantasien spielen lassen, dann hätte man dagegen vermutlich auch etwas haben können. Nur Heliane im zunächst weißen Kleid, später auch angepasst im Kostüm, und die Botin im schwarzen Schlauchkleid bieten andere Akzente. Der Vorteil des Bühnenbildes ist, für die Sänger hilfreich zu sein, wenn sie gegen die Klangeruptionen aus dem Graben anzutreten haben, was sie makellos bewerkstelligen.
Die Personenführung innerhalb des Tableaus gelingt überzeugend, was die Nacktheit von Heliane einschließt, die sich ganz natürlich ergibt. Das ist einfach so, bestenfalls erotisch, jedenfalls nicht voyeuristisch oder kitschig. Das beim Gottesurteil dann (göttliches?) Licht durch die Decke fällt, ist dann schon eher aufgesetzt. Es soll ja der Innenhof des Schlosses sein, wirkt hier aber anders.
Die Sängerinnen und Sänger glänzen allesamt und scheinen wie geschaffen für die Rollen. Die Heliane der Sara Jakubiak ist eine elegante Erscheinung, egal in welchem Kostüm. Ihr Sopran ist eine kultivierte Stimme, die ihrer Partie herrlichste Farben zu einer von Licht durchfluteten Darstellung abgewinnt. Ihre Stimme geht mitunter im Orchesterklang auf, dann steigt sie wieder strahlend empor.
Brian Jagde (Der Fremde) hat einen Prachttenor und kann mit ihm öfter Glanzlichter setzen und auch Schmelz erzeugen; gelegentlich geht er über Feinheiten hinweg. Auf der Bühne wird er zu einer Lichtgestalt, ganz wie vom Libretto gefordert. Josef Wagner gibt den König hartherzig, vielleicht entsprechend Korngolds Ansatz einiger Monotonie der Rolle. Seinen Bariton führt er etwas eindimensional, nur selten spürt man jene Verzweiflung, die auch in diesem schwierigen Charakter steckt.
Okka von der Damerau gibt der Botin und damit ihren Ambitionen auf den König markantes Profil. Auch der blinde Schwertrichter, Burkhard Ulrich, der Pförtner, Derek Welton, der junge Mann, Gideon Poppe, und die sechs Richter sind adäquat besetzt.
Die Ensembles gehören ebenfalls zu der herausragend gelungenen Vorstellung. Die von Jeremy Bines einstudierten Chöre können richtig kraftvoll, bleiben aber auch dann stilvoll gestaltend und edel.
Vor allem jedoch das Orchester ist ein musikalischer Hochgenuss. Das ist den hundertprozentig aufmerksamen Musikern zu danken, die aber auch mit Marc Albrecht einen erklärten Korngold-Freak als Leiter haben. Nach anfänglichen Minuten, in denen die Lava noch zäh erkaltet klingt, glüht der Klangrausch rund drei Stunden lang und heizt dem Ohr ein. Albrecht lässt weitgehend spielen, drosselt nur sehr gelegentlich, um einzelne Auftritte und vokale Momente zu stärken. Trotzdem klingen auch viele Details auf, die sich aus den Wogen schälen.
So ist diese Version dieses eigentlichen abstrusen Märchens wie ein Vulkanausbruch, der einen erhitzt und bedroht, aber auch fasziniert, von dem man sich einfach nicht losreißen kann. Was will man mehr?
Als Extra bietet diese Aufnahme auf der ersten DVD einen historischen Audio-Mitschnitt von 1928 des Zwischenspiels vor dem dritten Akt aus der ursprünglichen Aufführung, der hören lässt, wie diese Musik zu ihrer Entstehungszeit präsentiert wurde. Als weiteres Extra sind 35 Fotos von Korngold, seiner Familie und anderen Künstlern sowie von Konzertplakaten mit Kurzbeschreibung beigegeben.