Mieczyslaw Weinberg: Kammersymphonien Nr. 1-4, Klavierquintett op. 18 (Arr. für Streichorchester & Schlagzeug); Yulianna Avdeeva, Klavier, Kremerata Baltica, Gidon Kremer, Violine und Leitung, Mate Bekavec, Klarinette, Mirga Grazinyte-Tyla (Leitung, Kammersymphonie Nr. 4); 2 CDs ECM 4814604; Aufnahme 06/2015, Veröffentlichung 01/2017 (159) – Rezension von Remy Franck

Mieczyslaw Weinbergs Kammersymphonien für Streichorchester sind starke Stücke. Das vorliegende Doppelalbum, präsentiert die drei ersten davon in Liveaufnahmen aus dem Wiener Musikvereinssaal, die Vierte und die Bearbeitung des Klavierquintetts in einer Studioaufnahme aus Riga.

Alle vier Kammersymphonien des in Polen geborenen Komponisten Mieczyslaw Weinberg sind in seinem letzten Lebensjahrzehnt entstanden. Das Klavierquintett stammt hingegen von 1944,

Weinbergs Kammersymphonien sind, wie Gidon Kremer sagt, « höchst persönliche Reflektionen eines Komponisten über sein Leben und das seiner Generation, wie ein Tagebuch der dramatischsten Periode des 20. Jahrhunderts. »

Die Dritte, mit der das Programm beginnt, beginnt weltentrückt mit einem ätherischen Lento, es folgt ein pulsierendes Allegro molto, ein sehr ernsthaftes, mitunter auch zart-nostalgisches Adagio, das in ein reflektives Andantino mündet.

In der Zweiten Kammersymphonie kommen Pauken hinzu; das wankelmütige Werk ist dissonanter im Klang sowie im Ausdruck, und am Ende hinterlässt es beim Hörer den Eindruck von Ausweglosigkeit, von Trauer in der Leere.

Die Erste Kammersymphonie ist eine Transkription des 50 Jahre zuvor entstandenen Zweiten Streichquartetts. Sie ist neoklassisch, erinnert hin und wieder an Bartoks Divertimento, aber auch an Shostakovich. Die beiden mittleren Sätze werden sehr nachdenklich gespielt, die beiden Ecksätzen sind mit ihrem federnden Klang von absolut hinreißender Eleganz.

Abgesehen vom langen, ergreifenden und zum Teil bedrückenden Largo mit seinen fast absterbenden Klängen ist das Klavierquintett, hier dargeboten in einer Fassung für Streicher, Klavier und Schlagzeug von Andrei Pushkarev und Gideon Kremer, ein eher nervöses und aufgewühltes Werk, das im Sommer und Herbst 1944 komponiert wurde, gut ein Jahr nachdem Weinberg sich in Moskau niedergelassen hatte.

Die Kammersymphonie Nr. 4 für Streicher und Klarinette ist mit einer Aufführungsdauer von 36 Minuten die längste der vier und Weinbergs vorletzte Komposition überhaupt. Die Stimmungen wechseln von nostalgischem Lyrismus, jähem Nachtstück zu einem sehr meditativen Adagio, das schließlich via ein vorbereitendes Andantino in einen zarten,  an Klezmer-Musik erinnernden letzten Satz mündet. In diesem bäumt sich Musik zwar gegen Schluss verzweifelt auf, verklingt danach aber ‘adagissimo’

Die ‘Kremerata Baltica’ hat, wie erwartet, keine Schwierigkeiten, um mit den technischen Vertracktheiten und den Stimmungen des Werkes fertig zu werden. Durch die Klugheit der Gestaltung und die Ausdrucksintensität, aber auch durch die exzellente Aufnahmetechnik dieser beiden CDs werden sie der Musik vollauf gerecht: das ist nicht weniger als eine Referenzeinspielung der Kammersymphonien.

Gidon Kremer and Kremerata Baltica are perfectly responding to the various moods of Weinberg’s Chamber symphonies and his Quintet. Technically stunning, the powerfully atmospheric playing is at times frighteningly intense.

 

 

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