Am Freitagabend hat der 68-jährige französische Dirigent Emmanuel Krivine in der Luxemburger Philharmonie ein desaströses Abschiedskonzert dirigiert. Zeit, Bilanz zu ziehen.
2006 wurde Krivine Chefdirigent des Philharmonischen Orchesters Luxemburg (OPL), nachdem er mehrere Jahre lang dessen Erster Gastdirigent war. Wenige Monate, ehe er Verhandlungen aufnahm, um Chefdirigent zu werden, hatte er in einem Pizzicato-Interview strikt abgelehnt, einen solchen Posten anzunehmen. Der Mammon dürfte ihn schließlich vom Gegenteil überzeugt haben.
Die Musiker waren damals mehrheitlich gegen ihn, viele ertrugen seinen beißenden Spott nicht, mit dem er einzelne von ihnen bei den Proben fertig machte. Für viele hatte er beleidigende Spottnamen, übrigens auch für Personal der Verwaltung, Mitglieder des Verwaltungsrats, ja sogar für Kollegen und Komponisten. « Tamayonnaise », ein Name, den er für den damals beim OPL sehr aktiven Dirigenten Arturo Tamayo erfunden hatte, war noch eine der harmlosesten Bezeichnungen aus seinem Katalog.
Krivine war gefürchtet bei den Musikern wie bei der Verwaltung. Gilles Ledure, der eine sehr kurze Zeit lang als Generaldirektor amtete und letztlich in erster Linie an Krivine scheiterte, ließ eine ‘Lettre Philharmonique’ mit zigtausenden Exemplaren neu drucken, weil er in seinem Editorial in einem Satz bloß Krivine und nicht Emmanuel Krivine geschrieben hatte.
Und der gerade erwähnte Tamayo war einer der Dirigenten, die von Krivine in Luxemburg ausgerottet wurden. Die Liste jener, die unter seiner Führung sein Orchester dirigieren durften, wurde erheblich zusammen gestrichen. Hausverbot bekamen u.a. Hubert Soudant (der sich mehrfach bei mir sehr verbittert darüber beklagt hat), Dmitrij Kitajenko und Krivines Vorgänger Bramwell Tovey.
Doch auch andere Dirigenten wurden reihenweise ‘verhindert’, vor allem jene mit bekannten Namen, nach dem Prinzip « keine fremden Götter neben mir ». Zu den ‘Verhinderten’ zählten u.a. André Previn, von dem Krivine behauptete, er wäre ein schlechter Dirigent, und Ton Koopman, den er rauswarf, als sein Vertrag schon unterzeichnet war, weswegen das Orchester dann auch noch eine Ausfallprämie zahlen musste.
Verhindert hat Krivine auch ein von ihm selbst angestiefeltes Aufnahmeprojekt beim derzeit bedeutendsten Klassiklabel der Welt, Naxos, und so steht er in der Bilanz seiner neunjährigen Amtszeit vor allem als ‘Verhinderer’ da, als ‘Neinsager’.
Musikalisch hat er gewiss einiges aufzuweisen. Dass das Orchester unter seiner Führung technisch besser geworden ist, wird kaum jemand bestreiten. Auch einige Schallplatten mit Werken des französischen Repertoires sind ihm gut gelungen, und seine Debussy-Aufnahmen haben wirklich Referenzcharakter. Doch seine letzten Einspielungen, bei Zig Zag Territoires herausgekommen, sind total misslungen.
Mit Luxemburg hat der Dirigent nie eine Beziehung aufbauen können. Er kam und ging, ohne viel Aufsehen zu erregen, wurde nie eine Identifikationsfigur mit dem Orchester, und blieb in der Presse eine blasse Persönlichkeit. Kein Wunder, denn mit ihm ein Interview zu machen, war ein Ritt durch die Hölle.
Unter dem Strich fällt die Bilanz der Amtszeit Krivine somit negativ aus, daran wird auch die Standing Ovation nichts ändern, die am Freitag situationsbedingt zustande kam, als eine Musikerin Krivine einen Blumenstrauß und eine Flasche überreichte. Der Applaus bei den meisten Musikern – und ich habe das genau beobachtet – war recht verhalten oder blieb ganz aus. Aus dem Orchester, das mit der Zeit immer mehr zum Stehen gekommen ist, weiß ich, dass viele froh sind, den immer noch nicht sehr beliebten Chef los zu sein. Es bleibt zu hoffen, dass mit dem neuen Musikdirektor Gustavo Gimeno die Formation auch in Luxemburg wieder ein etwas schillernderes Bild abgeben wird.