Friedrich Gulda war als klassischer Interpret immer schon seiner Zeit voraus. Der Interpret, der sich niemals in ein festes Schema pressen ließ und auch schon mal gerne sein Publikum schockierte, gehörte zu jenen Figuren, von denen es in der Klassikbranche viel zu wenige gibt. Heute zieht man Schaumschläger wie Lang Lang vor, die besser das Image des Edlen und Erhabenen auf recht plakative Weise darstellen s(w)ollen.
Dass der eigenwillige Friedrich Gulda im Februar 1969 Claude Debussys 24 Préludes für das Jazz-Label MPS aufnahm, wird niemanden verwundern, ist Gulda doch auch im Jazz-Bereich kein Unbekannter. Die klanglich hervorragende, 2017 von Christoph Stickel vorzüglich remasterte Aufnahme, bei der die Mikrophone ganz nahe an den Saiten platziert wurden und somit ein ganz besonderes Klanggefühl entstehen lassen, ist ein herausragendes Dokument intelligenter Interpretationskunst.
Bei Gulda klingt Debussy sehr bodenbeständig, die Mikrophone vermitteln ein Gefühl des Unmittelbaren und kein lieblich-impressionistisches Klangbild. Stattdessen erlebt der Hörer einen rhythmisch präzisen, jazzigen Debussy, stark akzentuiert, doch immer fließend in der Bewegung. Die Pastellfarben weichen klaren Konturen, Allgemeingültiges wird durch eine sehr individuelle, von Pedalarbeit bestimmte Interpretation relativiert. Und dass Gulda gleich die 24 Préludes komplett vorlegt, ist ein Glücksfall. Somit darf diese Einspielung getrost zu den ganz großen und wirklich wichtigen Debussy-Einspielungen gerechnet werden. Eine Kultaufnahme in allen Hinsichten!