Von Rossini ist bekannt, dass er aufhörte, zu komponieren, obwohl er es sicherlich noch lange gekonnt hätte. Eine ähnliche Entwicklung lässt sich bei Leo Ornstein beobachten. Im vorletzten Jahrhundert geboren und erst Anfang dieses Jahrhunderts mit 108 Lebensjahren gestorben, war er in den ersten beiden Jahrzehnten des letzten Jahrhunderts ein gefeierter Klaviersolist, der erfolgreich Programme mit zeitgenössischen Kompositionen präsentierte. Aus der Ukraine stammend und anfangs in St. Petersburg ausgebildet, kam er als Dreizehnjähriger mit seinen Eltern nach New York. Bei ihm ist der Grund seines abrupten Endes seiner Solistenlaufbahn in den Zwanzigerjahren des vorigen Jahrhunderts mit der Eheschließung verbunden. Er wurde in Philadelphia sesshaft, wo er zunächst als angestellter Lehrer arbeitete und später zusammen mit seiner Frau eine eigene Musikschule gründete.
Die wenigen Werke dieses Komponisten lassen sich nicht in verschiedene Lebensphasen unterscheiden. Sie variieren vielmehr von Stück zu Stück. Die erste Sonate blickt vorwiegend romantisch Richtung Franck und Grieg. Die kurzen Sätze beziehen sich thematisch aufeinander. Die zweite Sonate ist von völlig anderer Gestalt. Statt melodischen Entwicklungen gibt es nur Keimzellen, dem Zwölftonbeginn im Piano stehen zwei Tritonintervalle der Violine gegenüber ebenso wie ständig wechselnde Metren und rhythmisch abweichende Bewegungen der Instrumente zueinander, also Wege hin zu Antheil. Die einsätzige kurze ‘Dritte Sonate’ und die ‘Hebräische Fantasie’ beziehen auch jüdische Melodien ein.
Die drei einzelnen Stücke für Flöte und Klavier folgen in ihrem Charakter der Richtung der Parnassiens, die formstrenge, emotionsfreie Literatur bevorzugten.
Die italienischen Brüder Francesco und Stefano Parrino haben zusammen mit der aus Belgien stammenden Pianistin Maud Renier diese jahrzehntelang unbeachtet gebliebene Musik eingespielt. Während Stefano in den kurzen Flötensätzen die strengen Vorgaben umsetzt, kann sein Bruder Francesco in den Sonaten und der Fantasie verschiedene Stimmungen zum Ausdruck bringen und den spieltechnischen Anforderungen entspannt gerecht werden. Die Pianistin ist eine verlässliche und technisch versierte Begleiterin.
Diese Aufnahmen sind nicht nur für Violinisten eine reizvolle Erweiterung des eng begrenzten veröffentlichten Werkes von Leo Ornstein.