Das Ballett ‘Cinderella’ von Prokofiev existiert als solches, aber es gibt auch Orchestersuiten, und auch für das Klavier wurde das Werk in mehreren Zyklen gefasst. Aus letzteren hat der französische Pianist Wilhelm Latchoumia eine Auswahl von Stücken für diese Einspielung ausgewählt und in einem dramatischen Sinne geordnet. Die thematischen Übergänge der Handlung im Ballett schmückt er sozusagen mit Zwischenaktmusiken aus, die er dem kompositorischen Werk von Henry Cowell entnommen hat. Der Interpret sieht eine enge Verbindung zwischen den Werken, weil er auch dem Werk Powells einen märchenhaften Anstrich ansieht.
Henry Dixon Powell lebte um die erste Hälfte desletzten Jahrhunderts herum in den USA als Musiktheoretiker und auch als Komponist. Als Tonsetzer war er sozusagen ein rechter Bürgerschreck, da er u. a. Cluster und direkt mit den Fingern oder einem Plektron angerissene Klaviersaiten einsetzte. Er kann als Begründer und Ideengeber dieser Spielart gesehen werden. Von ihm hat Latchoumia drei Werke in den Prokofiev eingebettet und eines an das Ende gesetzt. Dazu gehört `The Tides of Mamaunaun´, das wegen der eingesetzten Cluster zu den Aufregern gehörte.
Im Kontext mit dem Prokofiev ergeben sich allerdings durchaus passende und anregende Anhänglichkeiten, die das Klangbild bei Prokofiev mit neuen Höreindruck auffrischen. Mag auch der Schuh des Cowell gröber wirken als der Glasschuh der Cinderella, so geben sie doch ein Paar ab.
Wilhelm Latchoumia entwickelt den auch in den Anforderungen sich steigernden Klang von Prokofiev mit sachter, aber bestimmter Hand und entfaltet so am Klavier die bildhafte Märchensprache. Die eingestreuten Ungezogenheiten des Henry Powell wirken bei seinem Spiel und in dem Kontext mit dem heutigen Musikwissen gar nicht so frech, sondern erscheinen beinahe als ausgereizter Prokofiev. Insofern ist dem Interpreten zuzustimmen, dass die Kombination dieser beiden ihren Reiz hat.