Man muss eben Rudolf Buchinder heißen, um Schubert so zu interpretieren. So, das heißt: dass der Zuhörer unmittelbar den Eindruck hat: Diese Natürlichkeit, dieses Selbstverständnis, das ist es, was Schuberts Musik einzigartig macht. Sie ist nicht kalkuliert, sie sagt sich, sie drückt das aus, was den Komponisten bedrückt oder erfreut, was ihm Sorgen macht und was ihm Leiden schafft.
Bei Buchbinder ist nichts kalkuliert, alles wirkt seit eh und je ganz selbstverständlich… Und so sind die Unterschiede zwischen seiner Aufnahme der ‘Impromptus’ von 1990 für EMI und dieser Neueinspielung fast unbedeutend, nur verschiedene Akzentuierungen fallen bedeutungsreicher aus und offenbaren, dass Buchbinders Selbstverständnis die Frucht einer langen, intensiven Beschäftigung nicht nur mit dem Notentext ist, sondern auch mit der Zeit und dem Umfeld, in dem dieser entstanden ist. Erst wenn der Pianist sich darüber im Klaren ist, kann er die Musik so spielen, wie sie seiner Meinung nach klingen muss. Eine wichtige andere Voraussetzung lässt Buchbinder auch nie außer Acht: die Qualität des Instrumentes.
Auf dieser CD mit zwei der bedeutendsten Werke von Franz Schubert aus den beiden letzten Lebensjahren sind diese Voraussetzungen gegeben, und so kann Rudolf Buchbinder jedem der ‘Impromptus’ D. 899 vom Frühherbst 1827 seine Individualität geben, auch wenn sie wie improvisiert, wie aus dem Stegreif heraus, vor uns entstehen, erblühen und uns verzaubern und berühren, ohne dass Buchbinder auf Larmoyanz, Effekt und falsches Pathos setzen würde: Er ist eben ein Anti-Lang-Lang… Er ist eben ein Pianist.
Emotionen dringen auch in der großartigen finalen Klaviersonate von September 1828 durch, aber sie wirken nicht aufgesetzt, sondern wachsen aus den Noten heraus. Das gilt besonders für die beiden ersten Sätze der Sonate, die man selten so intensiv, innerlich konzentriert gehört hat, wodurch ihre ungeheure Dramatik sich ganz natürlich ergibt. Diese neuen Einspielungen von Rudolf Buchbinder sind eine Lehrstunde! GW
Rudolf Buchbinder’s Schubert is intensive, also charming and moving in a most natural way. He’s an anti-Lang Lang, simply a pianist who has to tell us a lot about the composer and his music..