Mit Mendelsohns Wiederentdeckung der Matthäus-Passion hat bekanntlich im 19. Jahrhundert die Bach-Renaissance eingesetzt. Gerade dieses Werk scheint auch dem Thomaskantor selbst besonders am Herzen gelegen zu haben.
Er hat sein BWV 244 selbst mehrfach überarbeitet und sogar komplett neu zu Papier gebracht. Die Matthäus-Passion ist einer der wenigen Bach-Autographen, die in einer derart sauberen und leserlichen Handschrift überliefert sind.
Wer Passion sagt, denkt an die Leidensgeschichte Christi, denkt an Leidenschaft und Emotionen. Beides verschmilzt in dieser neuen Aufnahme zu einer wunderbaren Synthese. Der schlanke, transparente Ensembleklang taucht uns vollends ins Geschehen. Jede Silbe ist deutlich zu verstehen, keine Textzeile geht verloren.
Das allein macht allerdings noch keine gelungene Interpretation. Hier kommt die emotionale Betrachtung ins Spiel. Stephen MacLeod setzt auf eine stimmungsvolle, rhetorisch pointierte Lektüre.
Denn Gli Angeli und das sehr homogene Solistenensemble wissen, wie man eine Geschichte erzählt, eine Geschichte, in der das Leid ebenso im Mittelpunkt steht wie Hoffnung und Freude.