Robert Schuman: Abegg-Variationen op. 1 + Papillons op. 2 + Symphonische Etüden op. 13 + Symphonische Etüden op. posth. + Klaviersonaten Nr. 1 fis-moll op. 11 & Nr. 2 g-moll op. 22; Elisabeth Leonskaja, Klavier; 2 CDs eaSonus EAS29407; Aufnahme 2018/2019, Veröffentlichung 02/2020 (134'42) - Rezension von Remy Franck
Zwei CDs mit Variationen und Sonaten: Elisabeth Leonskaja kehrt zu Schumann zurück und fasst ihre Gedanken zu diesem Thema in wunderbar ausgeglichenen und reifen Interpretationen zusammen. Die markanteste Entscheidung ist wohl, das Opus 13 aufzuteilen und die fünf sogenannten posthumen Variationen separat zu spielen, also Thema und dann Variationen 1-5. Danach folgt die 13-teilige Fassung der Symphonischen Etüden mit dem Thema und den Etüden 1-12. Unter Leonskajas Fingern verwandeln sich diese Etüden in wunderbar plastische Miniaturen, deren Vielfalt an musikalischen Einfällen Leonskajas Spiel vollauf gerecht wird.
Mit einem tief romantischen Atem und maßvollen Tempi spiegeln die Interpretationen der Geister-Variationen die Schwermut Schumanns auf sehr subtile Art und Weise. Die lyrischen und poetisch empfundenen Variationen werden als innig zarte und in ihrer verhangenen Melancholie wirklich zutiefst bewegende Stücke vorgestellt.
Die übrigen Stücke der ersten CD werden nicht weniger schön gespielt und tief ausgelotet.
Schumanns 1. Klaviersonate op. 11 entstand in den Jahren 1832-1836 und ist seiner späteren Frau Clara gewidmet. Elisabeth Leonskaja spielt sie mit einer wohl ausgewogenen Mischung aus Spontaneität und struktureller Überlegenheit. Wo andere Pianisten im ersten Satz vor allem Leidenschaft sehen, ist der fast vierzehn Minuten lange erste Satz bei Leonskaja sehr stark differenziert. Dadurch bleibt die Aussage rein, frisch, überrascht aber auch mit Nachdenklichkeit und sogar düsteren Farben. In der Aria gibt es weder Gefühlsdrücker noch bewusst gesteuerte Sentimentalität. Der zweite Satz geht so vorüber wie ein Moment überirdischen Glücks. Auch die beiden letzten Sätze spielt die Pianistin mit subtilster Phantasie, so dass das Auf und Ab in Schumanns Gedanken sehr gut zum Ausdruck kommt.
Schumanns wenig beliebte Zweite Sonate haben manche Pianisten stark dramatisiert, um sie angeblich attraktiver zu machen. Schumanns ‘So rasch wie möglich’ beeindruckt Elisabeth Leonskaja jedoch nicht allzu sehr. Sie versucht es eher mit Differenzieren in Dynamik, Tempi und Farben, so dass sie, obschon mit zwei Minuten mehr als Hamelin oder ihr Mentor Svjatoslav Richter, die Sonate durch eine großartige Klang- und Phrasierungskunst sehr ansprechend gestaltet. Das sublime Andantino spielt sie mit einer Art von zärtlicher Zurückhaltung, die sehr berührend wirkt. Die Tempi des Scherzos und des Finalsatzes sind bei Leonskaja auch langsamer als bei Hamelin und Richter, aber auch hier tut das der Sache keinen Abbruch, im Gegenteil: die eher sanft angegangenen Kontraste unterstreichen wirkungsvoll den Wirrwarr an Gedanken, der diese Musik prägt.
Two CDs with variations and sonatas: Elisabeth Leonskaja returns to Schumann and summarizes her thoughts in wonderfully balanced and mature interpretations. The most striking decision is probably to split the Opus 13 and to play the five so-called posthumous variations separately, i.e. Theme and then Variations 1-5. This is followed by the 13-part version of the Symphonic Etudes with the Theme and Etudes 1-12. Under Leonskaja’s fingers, these etudes are transformed into wonderfully three-dimensional miniatures whose variety of musical ideas are fully expressed in Leonskaja’s playing.
With a deeply romantic breath and moderate tempi, the interpretations of the Geister Variations reflect Schumann’s melancholy in a subtle way. The lyrical and poetically felt variations are presented as intimately tender and in their veiled melancholy really deeply moving pieces. The remaining pieces of the first CD are no less beautiful and deep.
Schumann worked on his 1st Piano Sonata op. 11 from 1832 to 1836. It is dedicated to his later wife Clara. Elisabeth Leonskaja plays it with a well-balanced mixture of spontaneity and structural superiority. Where other pianists see passion above all in the first movement, Leonskaya’s first movement, which is almost fourteen minutes long, is much differentiated. Thus the statement remains pure, fresh, but also surprises with thoughtfulness and even gloomy colours. In the aria, there is neither emotional repression nor consciously controlled sentimentality. The second movement passes like a moment of supernatural happiness. The pianist also plays the last two movements with the most subtle fantasy, so that the ups and downs in Schumann’s thoughts are expressed very well.
Schumann’s unpopular Second Sonata has been heavily dramatized by some pianists in order to make it allegedly more attractive. However, Schumann’s ‘As quickly as possible’ does not impress Elisabeth Leonskaja too much. She rather tries to differentiate the music in dynamics, tempi and colours, so that she, although with two minutes more than Hamelin or her mentor Svjatoslav Richter, makes the sonata very appealing through a great art of sound and phrasing. She plays the sublime Andantino with a kind of tender restraint that is very touching. Compared to the Hamelin and Richter recordings the tempi of the scherzo and the final movement are also slower in Leonskaya’s performance, but here too this does not do any harm, on the contrary, the smoother contrasts effectively underline the confusion of thoughts that characterizes this music.