Auf dem Backcover dieses Albums steht eine Aussage von Alfred Brendel, in der von ekstatischen Interpretationen die Rede ist. Zumindest für die zweite CD mit den Werken von Franz Liszt trifft das zu. Insbesondere die Sonate ist so voller Spannung, so wunderbar erfüllt und bedeutsam in den ruhigen Passagen, so drängend und, ja, ekstatisch in den virtuosen Teilen, dass die taiwanesische Pianistin Ya-Fei Chuang daraus eine dunkle Ballade macht, eine unendliche Geschichte aus fernen Welten. Eine Meisterleistung!
Die anderen Liszt-Stücke auf dieser CD öffnen ebenso weite Erlebnisräume, etwa wenn ‘Funérailles’ in bodenlos stoischer Trauer versinkent, und danach das Andante con moto der ‘Six Consolations’ in lichte Höhen entschwebt, wo sich so manches aus diesem Zyklus abspielt, ehe ‘Auf dem Wasser zu singen’ in der Konfrontation der beiden Hände noch einmal für eine erhellende Tiefe sorgt und sich ekstatisch entwickelt, Brendel wiederum Recht gebend.
In den Chopin-Interpretationen von Chuang findet sich diese Ektase allerdings nicht, und das ist wohl auch gut so. Selbst wenn ein Prélude mit Presto oder Presto con fuoco überschrieben ist, passen hier eher die Worte geschmeidig, fließend oder virtuos, während der Zyklus sich generell richtig, das heißt umwölkt entwickelt, geprägt von einer seriösen Modellierungskunst. Sehr schön und spannend erklingt auch die 3. Sonate, aber es fehlt diesen Chopin-Interpretationen der Rang des Außergewöhnlichen, den Chuangs Liszt-CD so phänomenal werden lässt.