Dank der Lockerungsmaßnahmen des Schweizer Bundesrats konnte das Team um Intendant Michael Haefliger doch noch ein stark gekürztes und kompaktes Festival in Luzern anbieten, das als sogenannte Corona-Edition unter dem Motto Life is Live stattfindet. Vom 14. -23. August finden Konzerte mit bis zu 1.000 Personen im Konzertsaal des KKL Luzern statt, gestaltet hauptsächlich von Musikern, die in der Schweiz leben. Alain Steffen berichtet.
Am Anfang standen zwei Konzerte des Lucerne Festival Orchestra unter der Leitung von Herbert Blomstedt mit Werken von Ludwig van Beethoven. Die Solistin Martha Argerich spielte an beiden Abenden das 1. Klavierkonzert, während Blomstedt die Symphonien Nr. 2 (14. August) und Nr. 3 (15. August) dirigierte. Es war das erste Mal, dass Herbert Blomstedt vor dem Lucerne Festival stand, das an beiden Abenden nicht in voller Größe, sondern in der zu Beethovens Lebzeiten üblichen Besetzung mit rund 35 Musikern spielte. Das Resultat war überragend, zumal der 92-jährige Dirigent sehr wach und engagiert zur Sache ging und trotz kleiner Besetzung einen volltönenden Beethoven dirigierte. Das Lucerne Festival Orchestra spielte die 2. Symphonie sehr wendig und klangschön, das akzentreiche Dirigat von Blomstedt zeigte in Beethovens Musik zugleich die Einflüsse des direkten Vorgängers Mozart wie auch bereits typische und zukunftsweisende Beethoven-Klänge. Darüber hinaus vermischte der Dirigent Erkenntnisse der historisch informierten Aufführungspraxis sowie klassisches und eher auf einen runden Gesamtklang ausgerichtetes Konzept. Das Lucerne Festival Orchestra spielte beherzt und kam Blomstedts Forderungen in allen Punkten nach. Eine wunderbare Interpretation der Eroica erlebten wir am folgenden Abend. Das Konzept war dasselbe, wenngleich die Musik einen anderen Atem besaß. Vor allem verlangt diese Symphonie in den beiden ersten Sätzen einen großen Spannungsbogen, der von Blomstedt sehr natürlich und uneigennützig in Szene gesetzt wurde. Die Musik entwickelte sich aus ihrem Kern heraus und die wundervollen Phrasierungen der Musiker des Lucerne Festival Orchestra fanden ihren Höhepunkt in dem genial komponierten langsamen 2. Satz, einer Marcia funebre von ungeheurer Intensität.
Die inzwischen 79-jährige Martha Argerich glänzte dann an beiden Abenden mit ihrer enorm frischen Interpretation des 1. Klavierkonzerts von Beethoven, einem Werk, zu dem die Musikerin seit vielen Jahren ein sehr inniges Verhältnis hat. Ihr wunderschönes Spiel besaß zudem eine Jugendlichkeit und lebensbejahende Kraft, wie man es nur ganz selten hört. Die Virtuosität der beiden Ecksätze war bis ins kleinste Detail bestens abgestimmt und stand immer in einer natürlichen Beziehung zu der Gesamtstruktur. Atemberaubend war der Mittelsatz, der in Argerichs Interpretation eine ergreifende Schönheit und eine einfach nur wunderbare Schlichtheit zeigte. Überhaupt zeigte Argerich, dass weniger oft mehr ist. Genauso wie Blomstedt in den Symphonien, vertraute die Pianistin auf die Musik Beethovens und hielt sich selbst als Gestalterin zurück. Welch großes Glück für das Publikum, diese beiden einmaligen Musiker zusammen musizieren zu hören und das dann zusammen mit einem erstklassigen Orchester wie dem Lucerne Festival Orchestra. Am dritten Abend dann präsentierten sich einige der Orchestermitglieder als Kammermusikensembles. Auf dem Programm standen von Mozart das Divertimento D-Dur KV 251 und das Septett Es-Dur op. 20 von Ludwig van Beethoven, das sich des Öfteren traut, die Wege der reinen Unterhaltungsmusik zu verlassen und das Publikum mit sehr tiefempfundener Musik zu konfrontieren. Die Solisten des Lucerne Festival Orchestra, Vincente Alberola, Klarinette (Beethoven), Matthias Racz, Fagott, Stefan Dohr, Horn, Jonathan Wegloop, Horn (Mozart), Gregory Ahss, Violine, Korbinian Altenberger, Violine (Mozart), Wolfram Christ, Viola, Jens Peter Maintz, Cello und Rick Sotijn, Kontrabass, entpuppten sich dann auch als bestens eingespieltes Team, die beide Werke auf allerhöchstem Spielniveau und mit wunderbarer Klang- und Farbgebung zu gestalten wussten. Dialogbereitschaft, Spielfreude und perfekte dynamische Abstufungen machten auch dieses Kammerkonzert zu einem wahren Hörgenuss.