Lucilin
(c) Alfonso Salgueiro

Dass immer wieder auch herausragende musikalische Ereignisse in der gegenwärtigen Lage stattfinden, durften die Zuhörer im schon lange geplanten und nun endlich realisierbaren Konzert zum eigentlich zwanzigsten Geburtstag von United Instruments of Lucilin genießen. Auch Rezensent Uwe Krusch durfte zwei Uraufführungen und ein dem Ensemble liebgewordenes Werk hören.

Rundherum war alles vorbereitet, um diesen inzwischen weit über die Grenzen des Großherzogtums Luxemburg hinaus bekannten Kulturbotschafter hochleben zu lassen. Doch sollte man nicht vergessen, dass neben dem unaufhaltsamen Willen der Instrumentalisten die frühe Unterstützung durch die damalige ebenso kunstsinnige  wie kunstinteressierte Kultusministerin Erna Hennicot-Schoepges diesen stetigen Zuwachs an Kompetenz und Ansehen mit ermöglicht hat. Man darf bezweifeln, dass eine so weitblickende Entscheidung unter den gegenwärtigen politischen Verhältnissen heute erneut zustande käme.

Neben einem umfangreichen Programmheft mit Fotos aus der Geschichte des Ensembles, Informationen und Grußworten vieler Freunde gab es vor Ort Einführungsworte und dann noch einen Film, in dem weitere Wegbegleiter, vor allem Komponisten aus nah und fern, kleine, aber feine Anmerkungen grundsätzlicher oder auch pointierter Natur beisteuerten.

Doch dann war Musik zu hören. Alle drei ausgewählten Werke erklangen in Anwesenheit ihrer Erschaffer. Das Werk `dejar aparacer´ (erscheinen lassen) des jungen chilenischen Komponisten Francisco Alvarado eröffnete den Reigen. Alvarado kombiniert in seinem Werk auskomponierte und improvisierende Bestandteile mit Live-Elektronik. Diese Elemente setzen sich derart miteinander in Verbindung, dass die spielenden Musiker sich in die vorgegebene Klanglandschaft einnisten. Dabei haben sie Freiheiten, wie und wo sie das tun. Durch diese Beziehung zur Umwelt, bei der sich nützliche oder verstärkende Aspekte durchsetzen, wird mit dem Begriff autopoetisch gefasst.

Das Werk entwickelt in zwanzig Minuten abwechslungsreiche Landschaften, die mitunter auch Assoziationen an den schroffen Süden Chiles, also Patagonien, wecken mögen. Vor allem aber lassen die Entwicklungen keine Langeweile aufkommen. Das Zusammenspiel der Elemente bietet auch einen durchgehenden sich natürlich entwickelnden Fluss, der zum aufmerksamen Zuhören verleitet und keine gekünstelten Gedankengebäude auftischt.

Das kürzeste Werk, `Sssh für Streichquartett´ von Diana Soh ist mit seinem Titel fast eine Untertreibung. Denn die Interpreten müssen neben ihren eigentlichen Instrumenten, auch mit außergewöhnlichen Spieltechniken, auch drei andere Ebenen gestalten, die in den Partituren gezeigt werden. Auf weiteren drei Systemen werden Fußarbeit und Schlaginstrumente sowie Gesprochenes vorgegeben. Zusätzlich ist mimisch zu agieren. Damit gelingt es Soh, eines ihrer Ansinnen, die eher mühsame Suche nach Stille zu verdeutlichen.

Zeitlich die Hälfte des Konzerts nahm die abschließende zweite Uraufführung ein. `Kein Licht. Suite concertante´ von Philippe Manoury entstand aus seinem gleichnamigen Musiktheaterwerk zum Thema Atomkraft. Die Suite fasst vier rein instrumentale Stücke mit fünf Arien zusammen. Auch hier kommen elektronische Zuspielungen zu den zwölf Musikern dazu und schaffen eine auch in diesem Fall einnehmende Welt voller Klänge, von denen man sich gerne inspirieren und sie weiter wirken lässt.

Die beiden Uraufführungen wurden zu den koordinierenden Händen von Julien Leroy in den überzeugend gestaltenden Fingern der Mitglieder von United Instruments of Lucilin zu einem Genuss höchsten Grades gestaltet. Wenn an dieser Stelle, also bei Kommentaren zu neuer Musik, oft zu lesen ist, dass es sich um ein interessantes Konzert handelt, dann darf man den Begriff hier mit Inbrunst von sich weisen. Denn so geäußert meint er ein unverstandenes und/ oder wenig erbauliches Konzertereignis. Hier jedoch war den Interpreten eine gelungene Auswahl an spannenden und zugleich hörbaren und trotzdem auch neue Wege beschreitenden Kompositionen gelungen. Und diese bot United Instruments of Lucilin, übrigens ein Bezug auf den historischen Namen des Großherzogtums, mit technischer Raffinesse, gespannter Zuwendung und musikalisch starkem Ausdruck an.

Doch darüber soll nicht der genauso mustergültige Einsatz des Quatuor Lucilin für das Quartett vergessen werden. Die Besetzung war verkleinert, aber die Qualität nicht reduziert.

Lucilin
(c) Alfonso Salgueiro

Kaum mag man einen der Beteiligten hervorheben, da alle sich großartig hineinknieten und ihre Partien qualitativ hochwertig gestalten konnten. Dazu gehören auch besondere Anforderungen wie der Wechsel zwischen den Instrumenten der Familie etwa bei der Flötistin Sophie Deshayes. Aber in zwei Fällen müssen die Solisten wegen herausgehobener Rollen im Stück erwähnt werden. In Manourys Komposition durfte sich die auf zeitgenössische Musik fokussierende Diana Daletska die Arien singen. Mit ihrem vielseitigen Mezzosopran und ihren Sprachkenntnissen lässt sie ihre samtig weiche Stimme geschmeidig und dennoch auch kraftvoll, wenn es die Musik erfordert, strahlen. Jedenfalls macht der Sängerin, die sieben Sprachen spricht, das deutsche Idiom zu den Worten von Elfriede Jelinek und auf Nietzsches Zarathustra nicht nur keine Probleme, sondern sie weiß die Texte dem Sinn entsprechend und wohlartikuliert zu gestalten.

Ebenso zu nennen ist Adam Rixer, der ein subtil schwieriges Solo, früher hieß das obligat, für Piccolotrompete bei Manoury mit erlesener Delikatesse und lässig solistischem Gestus beisteuerte.

Mit starker Musik und frisch dargebotenen ausgereiften Darbietungen machte United Instruments of Lucilin nicht nur den Zuhörern, sondern sich selber das schönste Geschenk. Und ein Motto aus dem Programmheft mag nicht nur für diesen Abend gelten: Live is Life und Life is Live. So ist es. Danke dafür!

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