Die luxemburgische Sopranistin Lynn Feyereisen singt in diesem Sommer die Musetta in Puccinis Bohème im Bonifazio Asioli Theater in Correggio. Für sie ist das ein wichtiger Schritt in ihrer jungen Karriere. Remy Franck hat sich mit der Sängerin unterhalten.

Lynn Feyereisen

Wie kam es zu dem Wunsch, Sängerin zu werden?
Ich komme aus einer Musikerfamilie und habe ich seit jüngstem Alter Musik gemacht. Solfeggio und Klavier begleiteten mich sehr lange, bis ich im Alter von 16 Jahren die Arie der Königin der Nacht hörte. Ich versuchte mich an den berühmten Teil des Pfeifregisters der Arie « der Hölle Rache » mit Tönen ab etwa dem 3-gestrichenen C, dem hohen C. Das war der Moment, in dem ich entschied, Opernsängerin zu werden.

Können Sie uns zunächst Ihren bisherigen musikalischen Werdegang erläutern?
Ich habe am Musikkonservatorium in Luxemburg mein Solfeggio (1er Prix) und Klavierparcours (1re Mention) durchlaufen. Im Alter von 17 Jahren fing ich an, Gesangsstunden bei Taisia Tordai an der ‘Käerjenger Musekschoul‘ zu nehmen. Ein Jahr später durfte ich die Rolle der Fantine bei Les Misérables beim alljährlichen KIC singen.
Nach meinem Abitur begannen meine Bachelorstudien im künstlerischen und pädagogischen Bereich an der Staatlichen Hochschule für Musik Mannheim bei Prof. Anna-Maria Dur. Nach ein paar Semestern entschied ich mich dazu, meine italienischen Wurzeln kennenzulernen und ein Auslandssemester am Conservatorio Giuseppe Verdi di Milano zu absolvieren. 2022 erhielt ich mein Masterdiplom an der Mannheimer Musikhochschule mit Höchstnote.

Welches sind die stärksten Eindrücke aus Ihren Studien?
Während meines Masters durfte ich an der Operngala mit dem Brandenburger Orchester in Witzenhausen die Arie der Tosca und Pamina und weitere Duette singen.
Seit 2021 bin ich Solistin in einem Tourneetheater, wo ich unter anderem die Rolle der Pamina, Papagena und der Königin der Nacht verkörpere.
Im gleichen Jahr sang ich die 5. Magd (Strauss, Elektra) bei ‘dramatic voices Berlin’. Es folgten während meines Studiums auch einige sehr positive Vorsingerfahrungen. Die Möglichkeit die Rolle der Lauretta aus Puccinis Gianni Schicchi‘ konnte ich aufgrund der Covid-19-Pandemie nicht wahrnehmen.

Sie haben eine starke, gut fokussierte und weitreichende Stimme. Was sehen Sie zurzeit an geeigneten Rollen und wo wird die Stimme Sie einmal hinführen?
Das ist ein sehr weitreichendes Thema. In Deutschland werden die Rollen mittlerweile leichter besetzt. Dies bedeutet, dass dramatische Partien wie zum Beispiel Rolle der Königin der Nacht aus Mozarts Zauberflöte nicht mehr von einem dramatischen Koloratursopran gesungen werden, sondern häufig von einer Koloratur-Soubrette.
Rollen wie Pamina (Die Zauberflöte), Lauretta (Gianni Schicci), Musetta (La Bohème) entsprechen meinem Alter und wurden meistens von einem vollen, lyrischen Sopran gesungen. Heutzutage werden sie in Deutschland eher von einem lyrischen Koloratursopran gesungen. Für diese Rolle erfüllt meine Stimme in diesem Land nicht die Erwartungen, weil sie zu kräftig ist. Für dramatischere Rollen jedoch bin ich noch zu jung und habe dafür noch zu wenig Erfahrung im Theater sammeln können. Das ist mein Dilemma.
In Italien hingegen sind vollere Stimmen auch für die letzteren Rollenaufzählungen willkommen. Deswegen würde ich sagen, dass ich in Italien Chancen im lyrischen Fach hätte. In Deutschland hingegen sehe ich realistische Chancen in größeren Opern mit einer kleineren Rolle, wie beispielsweise die Rheintöchter und Blumenmädchen von Wagner, kleinere Rollen von Strauss (Mägde), 1. Dame der Zauberflöte.
Meine Stimme geht in die Richtung eines spinto-dramatico. Titelrollen wie Salome (Strauss), Tosca (Puccini), Turandot (Puccini) und weitere Hauptrollen wie Chrysothemis (Elektra; Strauss), Leonora (Il Trovatore; Verdi), Maschallin (Der Rosenkavalier; Strauss), Donna Elvira (Don Giovanni; Mozart), werden mich hoffentlich in einigen Jahren begleiten.

Haben Sie eine Traumrolle?
Meine Traumrollen sind Tosca und Turandot. Puccini ist mein absoluter Favorit.

Welche Ziele und Meilensteine möchten Sie in Zukunft erreichen? Worauf arbeiten Sie hin?
Ich möchte auf jeden Fall an einem deutschen Theater Fuß fassen. Wenn man dort einmal im System drin ist, dann ist es nicht mehr so schwierig.
Zudem möchte ich meine Traumrollen singen. Ich denke, das ist der Wunsch jedes Sängers und dann haben sich das Studium und das Kämpfen auch gelohnt. Wenn ich einmal oben angekommen sein sollte, möchte ich auch anderen Künstlern helfen, das System ein bisschen zu ändern. Unter den derzeitigen Umständen werden die Künstler nicht gerecht für ihre Arbeit entlohnt, sondern ausgebeutet! Ändern kann man nur etwas, wenn man Macht, Einfluss und Ruhm hat.

Wie pflegen Sie Ihre Stimme, welche Stimmhygiene legen Sie sich auf?
Mir wurde während meines Studiums gottseidank eine gesunde Stimmtechnik vermittelt. Zudem bin ich in Besitz eines kleinen Buches mit allen wichtigen Informationen zum Thema Stimmtechnik. Natürlich bilde ich mich noch bei einem anderen Lehrer weiter, das trägt zur Stimmhygiene bei. Die Stimme wächst ständig weiter und somit muss man schon ein Auge darauf haben. Ich führe aber auch einen gesunden Lebensstil: Kein Rauchen, kein Alkohol und keinen Zucker. Das macht auch schon viel aus, um sein Immunsystem zu stärken, weil man wegen der ständigen Reisen schon vielen Viren ausgesetzt ist.

Nun ist die Stimme nur ein Mittel zum Erfolg. Wie schwierig ist es heute für eine junge Sängerin, Fuß zu fassen, eine Karriere aufzubauen?
Wie schon im vorher erwähnt, werden viele Künstler ausgebeutet. Bei fast jedem Wettbewerb und bei vielen Vorsingen muss man mittlerweile in die Tasche greifen. 50 Euro sind die Norm. Bei 1000 Bewerbern bekommen die Organisatoren eine Menge Geld. Durch Covid19 sind viele kleinere Jobs geschlossen worden, viele sind mit dem Studium fertig geworden und somit gibt es zu viele Leute für zu wenig Stellen. Ohne Geld und ohne Kontakte ist es somit sehr schwierig, irgendwo Fuß zu fassen, weil man sich ständig präsentieren muss, um dann irgendwo auf einen Menschen zu stoßen, der einem die Chance gibt.

Diesen Sommer singen Sie die Musetta in Puccinis Bohème im Bonifazio Asioli Theater in Correggio (Reggio Emilia). Was erwarten Sie sich davon?
Erstmal erwarte ich mir, dass ich dadurch zu mehr Vorsingen eingeladen werde. Bei 1000 Bewerbungen schauen sich die Arbeitgeber eher selten die Bewerbungsvideos an, sondern werfen meistens einen schnellen Blick auf das Curriculum. Wenn sie sehen, dass eine Hauptrolle in einem italienischen Theater gesungen wurde, hat man meistens bessere Chancen auf eine Einladung zum Vorsingen. Ich würde mir wünschen, dass ich dort einige wichtige Kontakte knüpfen kann. Hiermit meine ich einen Agenten, der im Publikum sitzt oder einen Menschen, der jemanden kennt, der meine Karriere lancieren würde. Es wäre auch erfreulich, wenn der Dirigent oder die Korrepetitorin mich im Gedächtnis behalten würden.

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