Unter der Leitung ihres Chefdirigenten Jakub Hrusa haben die Bamberger Symphoniker Smetanas Zyklus Ma Vlast (Mein Vaterland) im Direct-to-Disc-Verfahren auf Vinyl aufgenommen, einer Technik, bei der die Schallplatte direkt als Aufzeichnungsmedium dient. Nur vier Mikrofone wurden verwendet, und ihr Signal wurde über ein analoges Mischpult direkt an den Schneidstichel gesendet. Dieser modulierte in Echtzeit mit 45 Umdrehungen pro Minute die Rille in das Original. Die 45 rpm-LPs, die Accentus nun veröffentlicht, sind direkte Kopien der analogen Originale, von denen 1111 Exemplare als limitierte und nummerierte internationale Edition erhältlich sind.
Die unglaubliche Klangtreue konnten wir auf unserem B&O Tangential-Plattenspieler verifizieren. Die Aufnahmen haben eine phänomenale Klangfülle, Präsenz und Ausgewogenheit sowie vor allem eine große klangliche Wärme. Sie sind der 2016 bei Tudor erschienenen Surround-Aufnahme deutlich überlegen, nicht zuletzt weil die Dynamik erheblich ausgeglichener ist.
Was die Interpretation anbelangt, ist kein großer Unterschied zu der Tudor-Aufnahme festzustellen. Die Zeiten der einzelnen Tondichtungen sind auch nur unwesentlich verschieden.
Auf das opulent, breit und feierlich zelebrierte Vysherad folgt eine flüssig gespielte Moldau, in der sich Hrusa hütet, auf die Gefühlstube zu drücken, wenngleich hier etwas mehr Empfindsamkeit festzustellen ist als in der Tudor-Einspielung. Auch ist die Transparenz des Orchesterklangs wesentlich höher. Das klangliche Resultat ist faszinierend: der Hörer hat den Eindruck, sich unmittelbar vor dem Dirigentenpult zu befinden.
Viel Power entwickelt Hrusa auch im dritten Teil, Sarka: die Musik ist wunderbar detailreich, wird effektvoll differenziert und gesteigert und bleibt durchgehend spannend in einer sehr schwungvoll federnden Interpretation. Sehr schön detailreich und frisch wird Aus Böhmens Hain und Flur gestaltet. Smetanas « Gedanken und Gefühle beim Anblick der böhmischen Heimat“ werden nicht übertrieben, aber nach besten Wissen und Können möglichst authentisch wiedergegeben.
Tábor, im 19. Jahrhundert ein Symbol der tschechischen nationalen Wiedergeburt, beruht auf dem alten Hussitenchoral ‘Die ihr Gotteskämpfer seid’. Hrusa dirigiert das Stück recht draufgängerisch, während die sechste symphonische Dichtung, Blanik (ein Berg, in dem ein tschechisches Ritterheer – vom Heiligen Wenzel geführt – verborgen schläft und dem Land in schlechten Zeiten helfen soll), wie schon in der Tudor-Aufnahme voller Vaterlandsliebe, gefühlsvoll, symphonisch großartig und mit viel Ausdruckskraft interpretiert wird.
Doch neben der spannenden Interpretation ist vor allem die Qualität der Tonaufnahme direkt sensationell. Wir sind zwar gute Aufnahmen von Accentus gewohnt, aber was hier mit 4 Mikrophonen in einem reinen Analogverfahren und ohne jedwede Zwischenstufen erreicht wurde, ist verblüffend, was Präzision der Klangabbildung (man wähnt sich wirklich im Keilberth-Saal in Bamberg), Balance und Räumlichkeit anbelangt. Der Klang ist sagenhaft natürlich, ohne jede Verdickung, auch nicht im mächtigsten Tutti. Immerhin wurden ja auch die originalen Lackfolien, wie Accentus unterstreicht, « umgehend zum Presswerk gebracht, wo im galvanischen Verfahren die Pressmatrizen abgezogen wurden. Die so entstandenen Vinyl-Langspielplatten sind somit nicht nur rein analoge, sondern auch direkte Abzüge der Originale ». Da nimmt man gerne das sechsmalige Aufstehen zum Plattenwechseln in Kauf…