Für diese CD benutzt Jaap van Zweden die Konzertversion von Mahlers zehnter Symphonie, die der Dirigent Willem Mengelberg (1871-1951) in Kooperation mit dem niederländischen Komponisten Cornelis Dopper (1870-1939) erstellte und die bislang noch nie aufgenommen wurde.
Willem Mengelberg, ein enger Freund Gustav Mahlers, hatte seine Fassung der unvollendeten Zehnten 1924 in Amsterdam dirigiert. Im Gegensatz zu der vollständigeren Cooke-Fassung, die der englische Musikwissenschaftler Deryck Cooke verfasste, hat die Mengelberg-Version nur zwei Sätze, Adagio und Purgatorio. Schott Music veröffentlichte das Aufführungsmaterial im Jahre 2019 und Jaap van Zweden dirigierte die zweite Aufführung dieser Fassung überhaupt im Dezember 2019 in Hong Kong mit dem Hong Kong Philharmonic Orchestra. Die vorliegende Aufnahme entstand live bei Konzerten im Hong Kong Cultural Centre.
Mit ihren emotionalen Gegensätzen ist Mahlers Zehnte Symphonie die vielleicht ergreifendste Mischung aus Selbstzerfleischung und Trost in der Musik. Die gellenden Aufschreie im ersten Satz bringt Van Zweden nicht so herzzerreißend intensiv zum Ausdruck als Noseda oder ganz besonders auch Daniel Harding mit den Wiener Philharmonikern (Cooke-Fassung, DG, 2007). Jaap van Zweden pflegt ein detailliertes Klangbild, das immer spannungsvoll bleibt und auch durch kräftige Farben auffällt. Die Einspielung hat aber wohl eher dokumentarischen Wert, und wer sich Mahlers Zehnte anhören will, sollte zu der erwähnten Harding-Aufnahme oder zu jener von Simon Rattle mit den Berliner Philharmoniker (Cooke II, EMI, 1999) greifen.
Jaap van Zwedens Zehnte Shostakovich beginnt schwermütig und wenn sie auch nicht mit Drive und Dynamik punktet, dann doch mit orchestraler Intensität. Der Dirigent lässt die Musiker des Hong Philharmonic ungemein kraftvoll streichen und blasen. Das ist orchestrale Lava, die auch schon mal abebbt und mit nuancenreichen, ruhigen Klängen beeindruckt, vorausgesetzt man bleibt aufmerksam und hört genau hin. Der zweite Satz ist mit 4’37 » nicht gerade auf der schnellen Seite, aber er ist kraftvoll. Im Allegretto fallen wiederum sehr aparte Färbungen auf. Der Satz wird, genau wie das Finale, von Van Zweden gedanklich sehr vertieft angegangen, mit eher breiten Tempi. Nicht das Groteske scheint den Dirigenten zu interessieren, es gibt bei ihm keine geschärften Rhythmen. Er bringt dafür umso mehr Verhaltenheit, Resignation, Melancholie und Trauer in einer Musik, die uns hier umso mehr berührt, weil er nach der langsamen Einleitung den letzten Satz nicht enthusiastisch werden lässt, wie das andere Dirigenten getan haben, sondern eigentlich eher bedrohlich und unerbittlich, als eine Musik, die das Individuum zermalmt, wenn das Orchester im dreifachen Forte zuschlägt. Am Boden windet sich dann der Geschlagene und grinst mit einer frechen Fratze. Fröhlich geht bei Van Zweden die Symphonie ganz sicher nicht zu Ende.
Die Aufnahme muss man relativ hoch aussteuern, um genug Laustärke und damit auch Präsenz zu bekommen.
For this CD, Jaap van Zweden uses the concert version of Mahler’s Tenth Symphony that conductor Willem Mengelberg (1871-1951) created in cooperation with Dutch composer Cornelis Dopper (1870-1939) and which has never been recorded before.
Willem Mengelberg, a close friend of Gustav Mahler, had conducted his version in Amsterdam in 1924. Unlike the more complete Cooke version, written by English musicologist Deryck Cooke, the Mengelberg version has only two movements, Adagio and Purgatorio. Schott Music released the performance material in 2019 and Jaap van Zweden conducted the second ever performance of this version in December 2019 in Hong Kong with the Hong Kong Philharmonic Orchestra. This recording was made live at concerts at the Hong Kong Cultural Centre.
With its emotional contrasts, Mahler’s Tenth Symphony is perhaps the most poignant blend of self-destruction and consolation in music. Van Zweden does not express the shrieking outcries in the first movement with as much heartbreaking intensity as Noseda or, most notably, Daniel Harding with the Vienna Philharmonic (Cooke version, DG, 2007). Jaap van Zweden cares for a detailed sound that always remains full of tension and also stands out for its strong colors. The recording, however, probably has more documentary value, and those who want to listen to Mahler’s Tenth should reach for the aforementioned Harding recording or that of Simon Rattle with the Berlin Philharmonic (Cooke II, EMI, 1999).
Jaap van Zweden’s Shostakovich Tenth begins melancholy, and if it doesn’t score with drive, it does with orchestral intensity. The conductor has the Hong Philharmonic musicians bowing and blowing with immense power. This is orchestral lava that sometimes ebbs and impresses with nuanced, quiet sounds, provided one remains attentive and listens closely. At 4’37 », the second movement is not exactly on the fast side, but it is powerful. In the Allegretto, again, very distinctive colorations stand out. The movement is approached, just as Van Zweden’s finale is approached thoughtfully, with rather broad tempi. It is not the grotesque that seems to interest the conductor; there are no sharpened rhythms with him. He brings all the more demeanor, resignation, melancholy and sadness to a music that touches us because after the slow introduction he does not let the last movement become enthusiastic as other conductors have done, but actually rather threatening and relentless, as a music that crushes the individual when the orchestra strikes in triple forte. On the ground, the beaten man then writhes and grins with a cheeky grimace. Van Zweden certainly does not end the symphony happily.
The recording has to be levelled relatively high to get enough volume and presence.