Mit seiner 1839 an der Mailänder Scala uraufgeführten Oper ‘Oberto’ legte Verdi den eigentlichen Grundstein für seine Karriere. Oberto, der Graf von San Bonifacio bei Verona, war Ezzelino da Romano im Kampf unterlegen. Nun möchte Graf Riccardo von Salinguerra, ein Gefolgsmann Ezzelinos, auch noch die Tochter Leonora erniedrigen und trotz der Verlobung mit ihr, Ezzelinos Schwester, Cuniza, heiraten. Oberto und Leonora überzeugen Cuniza, dass Salinguerra ein Hochstapler ist. Dennoch versuchen Leonora und Cuniza die beiden Männer von einem Zweikampf abzuhalten, vergeblich! Im Zweikampf wird Oberto schließlich von Salinguerra getötet. Dieser bereut jedoch seine Tat und beschließt, freiwillig in die Verbannung zu gehen. Er vermacht Leonora seine Güter, die jedoch ihrerseits ins Kloster geht.
Die Oper wird heute nicht sehr oft aufgeführt. Die vorliegende Liveeinspielung kommt von den Heidenheimer Opernfestspielen, wo sie der Intendant Marcus Bosch ins Programm genommen und selbst dirigiert hat.
Bosch injiziert viel Kraft und Dramatik in das Werk, und sein Festspielorchester, Heidenheims ‘Cappella Aquileia’, hilft ihm dabei mit einer technisch brillanten und sehr frisch wirkenden Leistung.
Die Solisten und der hervorragende Philharmonische Chor aus Brünn sorgen für eine entsprechend niveauvolle Darbietung im Vokalbereich. Anna Princeva und Katerina Hebelkova zeigen keine Schwäche, und auch der Oberto von Woong-Jo Cho hat ein beachtliches Format. Der Tenor Adrian Dumitru (im Booklet als Bariton ausgewiesen) bleibt dem Riccardo allerdings einiges an flexibler Stimmführung und sicherer Höhe schuldig. Da denkt man wehmütig an Carlo Bergonzi in der Aufnahme unter Lamberto Gardelli (Orfeo).
Doch im Großen und Ganzen haben die beiden älteren Aufnahmen, die mit Rolando Panerai, Ghena Dimitrova und Carlo Bergonzi (1983) und die mit dem etwas unausgeglichenen Samuel Ramey, Maria Guleghina, Violeta Urmana (beide hervorragend), Stuart Neill (schwach), unter Neville Marriner (Philips 1997) nicht genügend Vorzüge, um die neue Einspielung unter Markus Bosch nicht zu einer ernsthaften Alternative werden zu lassen. Remy Franck
Die Provinz trumpft auf! Dass sich die großen Opernhäuser und Plattenfirmen im Moment schwertun, qualitativ erstklassige Aufnahmen auf den Markt zu bringen, ist ja bekannt. Der Wiener ‘Ring’-Mitschnitt unter Thielemann und die Salzburger ‘Manon Lescaut’ mit Anna Netrebko sind dafür die besten Beispiele. Was sich in diesem Mitschnitt der frühen Verdi-Oper ‘Oberto’ von den Opernfestspielen Heidenheim dem Hörer bietet, grenzt an ein kleines Wunder. Zunächst begeistert ‘Oberto’ mit wunderbarer Musik. Die Oper ist stilistisch zwischen Rossini, Bellini und Verdis ‘Nabucco’ anzusiedeln. Der Komponist lässt bereits hier sein Genie erkennen und schafft ein in sich stimmiges, exakt ausbalanciertes und konsequent durchgeführtes Werk mit wunderbaren Melodien. Auf CD ist diese herrliche Oper mit einer guten Aufnahme unter Sir Neville Marriner und einer eher etwas schwerfälligen und altmodischen Einspielung unter Lamberto Gardelli eher bescheiden vertreten.
Hier ist es nun Marcus Bosch, Nürnbergs gefeierter GMD und künstlerischer Leiter der Opernfestspiele Heidenheim, der ‘Oberto’ zu neuem Leben erweckt. So wie Marriner, der ebenfalls den kammermusikalischen Charakter der Oper erkannt hat, profitiert Bosch von seiner exzellenten klassisch besetzten ‘Cappella Aquileia’ und sorgt für eine sehr transparente Lesart, die dank einer hervorragenden Klangtechnik bestens zum Tragen kommt. Bosch fühlt sich hörbar wohl und dirigiert ‘Oberto’ mit sehr viel Elan, dynamischen Abstufungen und mit viel Freude am Belcanto. Was eigentlich auch nicht verwundert, steht doch hier ein überragendes Sängerquartett zur Verfügung. Wenn auch die Namen der Sänger nicht wirklich bekannt sind, so sagt das absolut nichts über ihr Können aus.
Woong-Jo Choi singt einen sehr lyrischen und eher leichtgewichtigen Oberto, dessen Stimme hervorragend zu der brillanten und farbigen Orchesterarbeit passt. Die beiden Damen, Leonora und Cuniza, werden von Anna Princeva, Sopran, und Katarina Hebelkova, Mezzosopran, mit wunderbar nuanciertem und sehr präzisem Gesang interpretiert, wobei jede von ihnen eine Entdeckung für sich ist.
Für den Riccardo hat man den rumänischen Tenor Adruan Dumitru engagiert, der zeigt, dass es immer noch exzellente Belcanto- und Spinto-Tenöre gibt. Mehr als einmal erinnert er in seinem souveränen Vortrag an den einmaligen Carlo Bergonzi (einziger wirklicher Lichtblick bei der Gardelli-Einspielung).
Der Tschechische Philharmonische Chor Brünn rundet dieses hervorragende Ensemble auf höchstem Niveau ab, so dass wir jedem Verdi- und Opernliebhaber diese hörenswerte Aufnahme, die durchaus das gleiche musikalische Niveau wie die Marriner-Einspielung besitzt, wirklich ans Herz legen können. Alain Steffen