Markus Poschner lässt den Beginn der ersten beiden Sätze von Bruckners Achter Symphonie jeweils sehr bewegt, sogar drängend musizieren. Wo er der Musik sofort eine Vorwärtsrichtung gibt, lassen andere der Musik eine ruhige Entfaltungszeit. Bildhaft gesprochen wird ein mächtiger Strom wie der Mississippi gezeigt, der kraftvoll mit hoher Geschwindigkeit dem Meer zuströmt, während andere eher den breiten ruhigen Mittellauf irgendwo im Lande betrachten. Dieses Drängen wird nicht immer durchgehalten, kehrt aber immer wieder. Das äußert sich dann auch in der Gesamtspieldauer, die mit gut 76 Minuten unter vielen anderen liegt, wie Jansons (80), Haitink (83), oder Wand (87), aber beinahe gleich wie Venzago . Doch ist dieses Drängen hier sehr positiv gemeint. Es ist nicht einfach als schnell zu verstehen und auch nicht mit einem überforderten oder angestrengten Gehetztsein zu verwechseln, das ist es beides wirklich nicht.
Wenn man den Höreindruck des großen weiten Laufenlassens der Entwicklung gewohnt ist, ist dieses Drängen zunächst einmal fremd. Aber sobald man sich darauf einlässt, entfaltet es seine Wirkung. Dieses Merkmal findet sich auch in den beiden folgenden Sätzen. Im dritten Satz – Adagio. Feierlich langsam, doch nicht schleppend – kann diese Vorwärtstension in Anbetracht der Satzbezeichnung (nicht schleppend) sogar zu einer Umsetzung der kompositorischen Anweisung gelesen werden. Im vierten Satz – Finale. Feierlich, nicht schnell – dagegen mag man es eher anders herum betrachten.
Die 8. Symphonie, die aus den großformatigen Werken von Bruckner noch einmal herausragt, bietet sich immer als Markstein für ein Orchester und seinen Dirigenten an. Neben der Tempodisposition fällt auch die instrumentale Gewichtung im Höreindruck auf. Für die Blechbläser gibt es einen teilweise massiven, aber auf die höheren Register gewichteten Klang, der eher einen geschärften denn einen samtenen Eindruck vermittelt. Auch das trägt zu einem neuen Hörverständnis bei. Im Allgemeinen aber werden die Stimmen austariert, so dass alle Teile des Apparates zu hören sind und das Klangbild dabei transparent bleibt. Doch nicht nur das Verhältnis der Instrumentengruppen zueinander, sondern auch die Satzkonstruktion innerhalb des Werkes mit einem differenziert gefächerten Gefüge, das leise horcht, deutlich vernehmbar auftritt und auch dazwischen vielfältige Klanggestaltungen gebiert, gehört zu dieser Interpretation.
Wenn man die im Film ‘Anton Bruckner – das verkannte Genie’ geäußerte These, Bruckner sei gar nicht so schüchtern und scheu gewesen, wie oftmals angenommen, sondern durchaus von sich überzeugt und auch geschäftstüchtig, auf diese Interpretation überträgt, dann ist auch die Befreiung der Hörgewohnheiten vom Pathos zu einem lebendigeren Ausdruck mehr als verständlich, der sich in einem selbstbewusst beweglichen Erscheinungsbild äußert.
Markus Poschner makes the opening of each of the first two movements of Bruckener’s Eighth sound very agitated, even urgent. Where he immediately gives the music a forward direction, others allow it a quiet time to unfold. Figuratively speaking, a mighty stream like the Mississippi is shown flowing powerfully at high speed toward the sea, while others are more likely to consider the broad calm middle course somewhere in the country. This urge is not always sustained, but recurs again and again. This then manifests itself in the total playing time, which at just over 76 minutes is below many others, such as Janson’s (80), Haitink’s (83), or Wand’s (87), but almost equal to Venzago’s. Yet this urging here is meant very positively. It is not to be understood simply as fast, nor is it to be confused with being overtaxed or strained to rush, neither of which it really is.
If you are used to the auditory impression of the great wide running of the development, this pushing is at first strange. But as soon as you get into it, it unfolds its effect. This characteristic is also found in the two following movements. In the third movement – Adagio. Solemnly slow, yet not dragging – this forward tendency can even be read as a realization of the compositional directive, given the movement designation (not dragging). In the fourth movement – Finale. Solemn, not fast – on the other hand, one might look at it the other way around.
The 8th Symphony, which stands out among Bruckner’s large-scale works, always lends itself as a landmark for an orchestra and its conductor. In addition to the tempo disposition, the instrumental weighting in the listening impression is also striking. For the brass, there is a sound that is at times massive, but weighted toward the higher registers, giving a sharpened rather than a velvety impression. This, too, contributes to a new listening experience. In general, however, the voices are balanced so that all parts of the apparatus can be heard while the soundstage remains transparent. However, not only the relationship of the instrumental groups to each other, but also the construction of the movements within the work with a differentiated structure, which listens quietly, appears clearly and also gives birth to a variety of sound shapes in between, is part of this interpretation.
If one transfers to this interpretation the thesis expressed in the film « Anton Bruckner – the unrecognized genius » that Bruckner was not at all as shy and timid as often assumed, but quite convinced of himself and also enterprising, then the liberation of the listening habits from pathos to a more lively expression, which is expressed in a self-confidently mobile appearance, is also more than understandable.