Meinen ersten Kreutzer-Schock hatte ich 2007, als ich mir die Einspielung von Fazil Say und Patricia Kopatchinskaja anhörte. Nun bin ich wieder geschockt. Und im Gegensatz zu der freien 1000-Volt-Lektüre des moldawisch-türkischen Duos steht außer Zweifel, dass Thomas Albertus Irnberger und Michael Korstick näher am Text einen noch stärkeren Eindruck hinterlassen. Hier dominiert nicht die Freude am Spiel, sondern das Spiel wird in seiner ganzen Echtheit Freude.
Beide Sonaten, die hier erklingen, werden im Booklet von Thomas Albertus Irnberger in den Kontext von Beethovens Liebe zu Josephine von Brunswick gestellt, wobei Michael Korstick im Interview mit Pizzicato darauf pocht, dass für die Interpretationen allein der Text maßgeblich war.
Dass dieser Text, so authentisch gespielt wie hier, so dramatisch umgesetzt, des Zuhörers Phantasie anregt, wird Korstick ihm ja wohl nicht verübeln…
Fakt ist, dass das, was wir hier hören, ungemein rhetorisch wirkt und eben neu dazu. Beide, und vor allem Irnberger, spielen auf volles Risiko und auf maximalen Ausdruck bedacht, auch wenn dabei die Klangschönheit (also der beim Spielen geschönte Klang) keine Leitlinie war. Aber wohl die Klarheit der Tonsprache. Was hier hörbar wird und vor allem, wie es hörbar gemacht wird, ist stupend. Die Kreutzer-Sonate und auch die Zehnte werden so zu einem völlig erneuerdend Klangerlebnis, so als hätten die beiden Künstler, ähnlich einem Restaurator alter Gemälde, mehrere Schichten von Staub, Ruß und Firnis abgekratzt und ‘Licht’ ins Dunkel des Klangbildes gebracht.
Für besonders gelungen halte ich auch die langsamen Sätze, die zwar kantabel werden, aber nicht schwelgerisch lyrisch (und süß), sondern sehr feingliedrig in ihrer Bewegungsvielfalt, und ihre Schönheit durch die Verhaltenheit des Ausdrucks erlangen.
Und so ist dies denn ein wunderbar gelungener Auftakt zur Gesamtaufnahme der Violinsonaten, und wir warten gespannt auf die nächste CD.
Thomas Albertus Irnberger and Michael Korstick have removed several layers of surface dirt and discolored varnish layers, so that Beethoven’s violin sonatas appear in a new and rich palette of colors with a great variety of details, allowing the music to acquire a powerful rhetoric.