Tiranno; Scarlatti: Il Nerone + La Morte di Nerone; Händel: Agrippina condota a morire HWV 110; Monteverdi: Arien & Duette aus L'Incoronazione di Poppea; Monari: La Poppea; Kate Lindsey, Nardus Williams, Andrew Staples, Arcangelo, Jonathan Cohen; 1 CD Alpha 736; Aufnahme 10.2020, Veröffentlichung 04.06.2021 (75'34) – Rezension von Remy Franck
Die amerikanische Mezzosopranistin Kate Lindsey zeigt in diesem Programm erneut die ganze Bandbreite ihres darstellerischen Könnens in dramatischen und gleichermaßen einfühlsamen Interpretationen. Sie kann sicherlich alle dramaturgischen Anforderungen erfüllen, um zu schillernden Charakterisierungen zu gelangen. Technisch ist ihrem Gesang nichts vorzuwerfen. Die Stimme ist agil, führt Koloraturen tadellos aus, sie hat vielleicht etwas mehr Vibrato als andere Barocksängerinnen, aber ich sehe das eher als Plus an.
Andererseits ist die Tiefe weniger ausgeprägt und nicht so präsent wie bei anderen Mezzos. In der Höhe ist das Timbre sehr schön, wenn die Lautstärke reduziert ist. Unter Druck freilich wird die Stimme etwas scharf und rauh, was ggf. den Ausdruck von Zorn oder höchster Leidenschaft verstärken kann. So hat man im Wechsel von ruhigen und dramatischeren Arien manchmal den Eindruck, es seien zwei verschiedene Frauenstimmen, die man da hört, bzw. die Interpretin dialogiere mit sich selber. Das ergibt ganz aparte, gewissermaßen schizophrene Charakterisierungen.
In this program, American mezzo-soprano Kate Lindsey once again shows the full range of her performing skills in dramatic and equally sensitive interpretations. She can certainly meet all dramaturgical requirements to achieve dazzling characterizations. Technically, there is nothing to reproach her singing. The voice is agile, executes coloratura impeccably, she has perhaps a bit more vibrato than other baroque singers, but I see that rather as a plus.
On the other hand, the depth is less pronounced and not as present as with other mezzos. In the treble, the timbre is very nice when the volume is reduced. Under pressure the voice becomes somewhat sharp and rough, which can possibly intensify the expression of anger or highest passion. Thus, in the alternation of quiet and more dramatic arias, one sometimes has the impression that one is listening to two different female voices, or that the interpreter is dialoguing with herself. This results in quite distinctive, to a certain extent schizophrenic characterizations.