Am heutigen 17. Oktober 2013 feiert die literarische Welt den 200. Geburtstag von Karl Georg Büchner, einem der glänzendsten und wortgewaltigsten Autoren der deutschen Literatur, der dieser neue geistige und menschliche Dimensionen eröffnet hat. Der äußerst brillante Student Büchner litt am Leiden seiner Mitmenschen, und besonders die Armut der Landbevölkerung machte ihn so betroffen, dass er zum Revolutionär wurde.
Im Juli 1834 erschien seine Flugschrift ‘Der Hessische Landbote’, unter der Parole: ‘Friede den Hütten! Krieg den Palästen!’ und rief die hessische Landbevölkerung offen zur Revolution gegen die staatliche Unterdrückung auf. Das brachte Büchner eine steckbriefliche Verfolgung ein. Er floh zurück nach Straßburg und von dort nach Zürich, wo er zum Doktor der Philosophie ernannt wurde. Inzwischen hatte er den schon größten Teil seines literarischen Werken begonnen, resp. bereits abgeschlossen: 1835 das Drama ‘Dantons Tod’ und die Erzählung ‘Lenz’, 1836 das Lustspiel ‘Leonce und Lena’, außerdem die Übersetzung von zwei Dramen von Victor Hugo: ‘Lucretia Borgia’ und ‘Maria Tudor’. ‘Woyzeck’, sein wohl größtes Werk aber ist leider Fragment geblieben, da Büchner am 19. Februar 1837 mit 23 nur Jahren an Typhus starb…
Alban Berg, zweifellos der ‘humanste’ der Zwölftonschöpfer, sah 1914 eine Aufführung des Werkes, die ihn so faszinierte, dass er sofort mit der Komposition einer Oper zum Thema begann und 1921 abschloss. Alma Mahler-Schindler förderte die Drucklegung finanziell so stark, dass Berg ihr das Werk widmete. Die Uraufführung fand am 14. Dezember 1925 unter der Leitung von Erich Kleiber in der Staatsoper ‘Unter den Linden’ in Berlin statt, begleitet von einem mittelprächtigen Skandal.
Alban Berg verwendet in seinem Libretto 15 der ursprünglich 25 Szenen und teilt sie in drei Akte mit jeweils fünf Szenen auf. Jeder Akt hat eine eigene musikalische Form, die von der jeweiligen Dramaturgie abhängt. Bei einer Aufführung wird dem Zuschauer allerdings kaum bewusst, wie komplex die Verfahrensweise des Komponisten ist. Im Gegenteil, die Oper macht immer wieder betroffen, weil alles so ‘einfach’ wirkt. Sie gilt heute als eine der ganz großen Musikschöpfungen des 20. Jahrhunderts. Besonders beklemmend wirkt sie, wenn ein Regisseur sich ihr annimmt, dem es nicht ums eigene Ego, sondern um das zutiefst Menschliche des Stoffes und seine Auslegung geht.
Dies ist hier der Fall, denn eine seit 1992 zur Legende gewordene Inszenierung des ‘Wozzeck’ liegt jetzt erneut als DVD in bester Qualität vor: die von Patrice Chéreau, der uns am letzten 7. Oktober leider für immer verlassen hat. Seine Produktion, gefilmt am Ort der Uraufführung des Werkes, der Berliner Lindenoper, ist eine seiner wirklich legendären Arbeiten für die Opernbühne, gleichzusetzen mit seinem genialen Bayreuther ‘Ring’ der Endsiebziger. Selten konnte man eine derart konzentrierte, jeden der Charaktere geschickt auslotende Produktion erleben, selten eine so intensiv geführte Personenregie.
Chéreau verzichtet auf alles Naturalistische und gestaltet die Szenerie mittels einiger beweglicher Quader und Türme und faszinierender Lichteffekte. Ihm geht es um das Menschlich-Allzumenschliche. Franz Grundheber gestaltet einen ungemein anrührenden Wozzeck, Opfer der Gesellschaft, Waltraud Meier eine zutiefst zerrissene Marie, und nicht Wozzeck erscheint als der Verrückte, sondern der Doktor (Günter von Kannen), der Hauptmann (Graham Clark) und andere. Entscheidend für die Einmaligkeit der Produktion ist auch das Dirigat von Daniel Barenboim an der Spitze der phänomenal aufspielenden Staatskapelle. Barenboim bringt die Musik zum Glühen.
By focusing on the human tragedy, Patrice Chéreau has staged a deeply moving ‘Wozzeck’. Excellent singing and the glowing performance of the Staatskapelle under the baton of Daniel Barenboim make this production outstanding in every way.