Michael Gielen dirigiert in diesem Bartok-Stravinsky-Programm zunächst die Suite aus ‘Der holzgeschnitzte Prinz’ in einer 2006 in Freiburg gemachten Einspielung. Die großen Spannungsbögen entwickeln sich organisch, und die Musik blüht in ihrer ganzen Farbenpracht auf. Knisternde Spannung, schroffe Kontraste, viel federnde Flexibilität im Klang und ein großartiges Farbenspiel: Gielen nimmt sich Zeit das alles herauszuarbeiten, denn seine Aufnahme ist mit 39’40 eine der längsten in den Katalogen.
Die zweite CD beginnt mit den fast impressionistischen ‘4 Stücken für Orchester’, deren nostalgische Grundstimmung er wundervoll herausarbeitet. Sehr sorgfältig wird sodann das nur zweisätzige 1. Violinkonzert aufgeführt, und die CD wird beschlossen mit der bekannten ‘Musik für Streicher, Schlagzeug und Celesta’, von der es ja eine Menge Spitzenaufnahmen gibt, an die diese Aufführung trotz eines herausragenden Adagios nicht ganz heranreicht.
Detailreich und farbig, sehr gut durchleuchtet erklingt die ‘Tanz-Suite’, während das 2. Klavierkonzert in den Ecksätzen brillant von Robert Leonardy und dem Rundfunk-Sinfonieorchester Saarbrücken musiziert wird, seinen Höhepunkt aber eindeutig in dem sehr stimmungsvollen Adagio findet. Die Aufnahme von Bela Bartoks Konzertsuite aus dem Ballett ‘Der wunderbare Mandarin’ entstand 2007 mit dem SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg und ist eine Gegendarstellung von Interpretationen, in denen die Modernität und Aggressivität dieser expressionistischen Musik gnadenlos geschärft wurden. Gielen betont die Farbenspiele, sucht mehr nach Stimmungen, streicht das Sensuelle hervor. Er differenziert den Orchesterklang, sorgt für größte Durchhörbarkeit, schürt die Spannung, und wird so der Handlung durch klug herausgearbeitete Stimmungsunterschiede gerecht.
Das ‘Pulcinella’-Ballett wurde 1973 live mit dem RSO Stuttgart aufgenommen und überrascht mit einem kernig-frischen, brillant farbigen Klang. Aus Stuttgart kommt ebenfalls ‘Apollon musagète’, und hier geht Gielen erstaunlicherweise genauso expressiv und gefühlsvoll vor wie in den drei Symphonien (Symphony in 3 Movements, Symphony in C, Symphony of Psalms). Der Hörer folgt der Musik von einem Satz zum anderen, als seien es lauter Werke mit musikalischen Erzählungen. In diesem Kaleidoskop nimmt die ‘Psalmensymphonie’ eine ganz besondere Stellung ein, weil sie großartig durchleuchtet wird.
Sehr eindrucksvoll ist auch die Chorplatte, die mit einer ausdrucksstarken Aufführung der kurzen, endzeitlichen Kantate ‘Le Roi des Etoiles’ beginnt, in der die Herren des SWR Vokalensembles im schwierigen, sechsstimmingen Chorpart brillieren. Das 1951 vom ‘Festival di Venezia’ für die Markus-Kathedrale bestellte ‘Canticum Sacrum Ad Honorem Sancti Marci Nominis’, ein serielles Werk, wird zwar hier sehr beeindruckend aufgeführt, aber die vor allem auf Bläsern beruhende Besetzung kommt in der Akustik des Freiburger Konzerthauses nicht wirklich zur Geltung.
Nach der rhythmisch scharfen Wiedergabe des Balletts ‘Agon’ folgt das nur 15 Minuten lange und wohl kürzeste Requiem, das je auf den lateinischen Text komponiert wurde, in einer Freiburger Aufnahme von 2007. Diese CD endet mit den kurzen ‘Variations’, zu denen der Dirigent eine ausführliche Einführung spricht und seine Beziehung zu Stravinskys Musik erläutert.