Mit viel rhythmischer Energie, Spontaneität und Elan steigt das von Constantin Trinks geleitete ORF Radio-Symphonieorchester Wien in das Erste Klavierkonzert ein, und wenn dann Michael Korstick mit seinem fein ziselierten, ungemein agilen und leicht perlenden Klavierspiel hinzukommt, wird ein Idealzustand erreicht, in dem die Musik fließt wie ein Drachenboot mit zwanzig Paddlern, genauso unaufhörlich und genauso farbig.
Zwischen den zwei schnellen Sätzen ist der langsame Satz ein Musterbeispiel an Ausgewogenheit und Kraftverteilung, aber auch einige Phrasierungen und rhythmische Neustrukturierungen rufen die Aufmerksamkeit des Hörers hervor. Was da manchmal in der linken Hand passiert, ist mehr als nur erstaunlich, und am Ende des Satzes ist die Spannung so groß geworden, dass man gar nicht mehr zum Finale will, sondern das Largo erneut hören möchte, um das nie Gehörte noch einmal zu verkosten.
Die große Kür, die Korstick und das Orchester im ersten und im letzten Satz des Zweiten Konzerts zeigen, führt mit kunstvoll ausgeführten Läufen und Pirouetten, Dehnbarkeit und Gelenkigkeit zu einer tollen ausdrucksmäßigen Differenziertheit. Die energisch gespannte, leuchtkräftige Präsenz des Klaviers fasziniert auch im Adagio.
Mit lebendigen und rhythmisch fein justierten Ecksätzen und einem Largo, das eine selten gehörte Ausdrucksqualität erlangt, ist das Dritte Konzert ein Werk, das auch dem Orchester viel Präsenz erlaubt, mit einer guten Aufwertung auch des scheinbar nebensächlichsten Details.
Ein absolutes Highlight der Gesamtaufnahme ist das Vierte Konzert, dessen Rhetorik sowohl im Orchester als auch beim Pianisten absolut phänomenal ist. Der letzte Satz fliegt einem mit einer Klang- und Spiellust um die Ohren, dass das Herz vor Begeisterung jauchzt. Aber dieses Rondo ist ja auch das Austoben auf der Himmelswiese, wenn wir das richtig erfassen, was im zweiten Satz zu hören ist, der von Anfang an sehr bedrohlich wirkt und letztlich zu einem leisen Ersterben führt, in dem das Tremolo mit der erschauernd gespielten Melodie der linken Hand als der Übergang in den in der Literatur oft geschilderten Passagio gewertet werden könnte.
Das Fünfte Klavierkonzert hat von jeher unter dem Titel Empereur gelitten. Nun kann man den ignorieren und das Konzert frisch und draufgängerisch spielen, mit der einhergehenden Gefahr, dass der explizit heroische Charakter der Komposition, sowie der Ausdruck des Stolzes, den Adorno im Werk ausmachte, verloren gehen. Korstick und Trinks gelingt es, mit einem großen romantischen Ton diesen heroischen Charakter zu wahren und in keinem Moment Pathos oder Schwulst aufkommen zu lassen.
Als sogenanntes Siebtes Klavierkonzert enthält die dritte CD dieser Beethoven-Box die Transkription des Violinkonzerts op. 61a, die ja Beethoven selber angefertigt hat. Dass er aus dem Violinkonzert ein vollwertiges Klavierkonzert gemacht hat, war mir eigentlich nie so bewusst, weil die Aufnahmen, die ich kenne, dies nicht so erahnen lassen.
Korstick und Trinks spielen den Charakter des Klavierkonzerts jedoch voll aus, und als Opus 61a hat dieses Werk wohl noch nie so pianistisch geklungen wie in dieser Einspielung. Von Violine ist da keine Spur mehr!
Mit eher schnellem Tempo steigen Korstick und Trinks in die die Musik ein und ziehen damit zielbewusst und ohne je im Drang nachzulassen, in Richtung Larghetto, und ganz in der Ferne sieht man schon Brahms….
Aber das richtig Aufregende ist das Klavierspiel von Michael Korstick, mit typisch Beethovenscher Attacke, heroischer Kraft und hin und wieder auch bezaubernder rhythmischer Leichtigkeit. Und die Kadenz erst, sowas Großartiges hat man noch nie gehört!
Auch Im zweiten Satz gibt Korsticks Pianismus der Musik eine ganze neue Qualität, weil das Klavier hier für Effekte sorgt, die eine Violine nicht produzieren kann. Die Überleitung zum dritten Satz ist nicht weniger außergewöhnlich und spannend. Und dieser dritte Satz erinnert mich an eine Wiese, auf der junge Fohlen freudig aufgeregt umherspringen. Das muss man gehört haben. Allein wegen dieser Großtat sollte niemand zögern, sich diese Gesamtaufnahme zuzulegen.
Auf der vierten CD befinden sich das Klavierkonzerts Nr. 0, das der 13-jährige Beethoven 1784 komponierte, das Rondo B-Dur, sowie der einzige erhaltene Satz aus dem Klavierkonzert Nr. 6, ein Allegro.
Für diese Aufnahme des Klavierkonzerts Nr. 0 benutzt Michael Korstick eine neue Orchestrierung von Herrmann Dechant. Details dazu liefert das Booklet.
Korstick spielt das Konzert recht zügig und lässt keinen Zweifel daran, dass er den Klavierpart hoch schätzt, und es gelingt ihm zweifellos, dieses Werk eines 13-Jährigen attraktiv zu machen.
Erregt und entsprechend spannend spielen Korstick und das Orchester auch das Rondo
Und zum Abschluss erklingt das Allegro aus dem unvollendeten Klavierkonzert Nr. 6 in der Aufführungsversion von Nicholas Cook, die ihrerseits von Hermann Dechant überarbeitet und mit einer brillanten Kadenz und einer neuen Coda bereichert wurde.
Die beiden ‘kochten’ die Skizzen zu einem gar feinen, reifen Beethoven, die von Korstick und Trinks in einer voll engagierten Interpretation zu wirklich mitreißender Musik umgesetzt werden.
Einmal mehr hat der Pianist, den man ‘Mr. Beethoven‘ genannt hat, seine ganze Kunst in den Dienst einer kaum bekannten Partitur gestellt.
The ORF Radio Symphony Orchestra Vienna, conducted by Constantin Trinks, enters the First Piano Concerto with plenty of rhythmic energy, spontaneity and verve, and when Michael Korstick joins in with his finely chiseled, immensely agile and lightly sparkling piano, an ideal interpretation is reached in which the music flows like a dragon boat with twenty paddlers, just as ceaselessly and just as colorfully.
Between the two fast movements, the slow movement is a model of balance, but some new phrasing and rhythmic ideas also call for the listener’s attention. What happens in the left hand at times is more than just amazing, and by the end of the movement the tension has become so great that one doesn’t even want to go to the finale, but prefers to hear the Largo again, to taste once more what one has never heard elsewhere.
The great playing that Korstick and the orchestra display in the first movement and the last of the Second Concerto leads to terrific expressive differentiation with artfully executed runs and pirouettes, stretching and articulation. The piano’s energetic, taut, luminous presence also fascinates in the Adagio.
With lively and rhythmically fine-tuned outer movements and a Largo that attains a rarely heard expressive quality, the Third Concerto is a work that also allows the orchestra a great deal of presence, with a good appreciation of even the most seemingly incidental details.
An absolute highlight of the complete recording is the Fourth Concerto, whose rhetoric is absolutely phenomenal, both in the orchestra and the pianist’s playing. The last movement flies around one’s ears with a sonority and playfulness that makes the heart rejoice with excitement. But isn’t this Rondo a real romp on the heavenly meadow, if we correctly get what can be heard in the second movement, which from the beginning seems very threatening and ultimately leads to a quiet dying away, in which the tremolo with the shudderingly played melody of the left hand could be interpreted as the transition into the Passagio often described in the literature.
The Fifth Piano Concerto has always suffered from the title Empereur. Now, one can ignore that and play the concerto in a fresh and swashbuckling manner, with the attendant danger of losing the explicitly heroic character of the composition, as well as the expression of pride that Adorno identified in the work. Korstick and Trinks succeeds in preserving this heroic character with a grand romantic tone, never allowing pathos or pomposity to emerge at any moment.
The third CD of this Beethoven box contains the transcription of the Violin Concerto op. 61a, which Beethoven made himself. That he made a full-fledged piano concerto out of the violin concerto, I was actually never so aware of, because the recordings I know do not give such an idea.
However, Michael Korstick and Trinks play the character of the piano concerto to the full, and as Opus 61a this work has probably never sounded so pianistic as in this recording. There is no trace left of the violin!
With a rather fast tempo, Korstick and Trinks enter the music and move purposefully and without ever letting up in the urge, towards the Larghetto, and in the distance one can already see Brahms.
But the really exciting thing is the piano playing of Michael Korstick, with typical Beethovenian attack, heroic power and now and then also enchanting rhythmic lightness. And the cadenza finally, one has never heard anything so great!
In the second movement, too, Korstick’s pianism gives the music a whole new quality, because here the piano provides effects that a violin cannot produce. The transition to the third movement is no less extraordinary and exciting. And this third movement reminds me of a meadow with young foals jumping around excitedly. One must have heard that. Because of this performance alone, no one should hesitate to get this complete recording.
The fourth CD features the Piano Concerto No. 0, composed by the 13-year-old Beethoven in 1784, the Rondo in B-flat major, and the only surviving movement from the Piano Concerto No. 6, an Allegro.
For this recording of Piano Concerto No. 0, Michael Korstick uses a new orchestration created by Herrmann Dechant. Details are provided in the booklet.
Korstick plays the concerto quite briskly, leaving no doubt that he holds the piano part in high regard, and he undoubtedly succeeds in making this work by a 13-year-old attractive.
Korstick and the orchestra also play the Rondo excited and correspondingly exciting.
And finally, the Allegro from the unfinished Piano Concerto No. 6 is heard in Nicholas Cook’s performance version, itself revised by Hermann Dechant and enriched with a brilliant cadenza and a new coda. The two ‘cooked’ the sketches into an even fine, mature Beethoven, which Korstick and Trinks turned into truly stirring music in a fully committed interpretation. Once again, the pianist who has been called ‘Mr. Beethoven’ has put all his art in the service of a little-known score.