Das Warschauer Chopin-Institut gibt ein Album mit dem amerikanisch-belgischen Pianisten Michel Block heraus, der 1960 beim Chopin-Wettbewerb zwar das Finale erreichte, aber wie in anderen Wettbewerben von der Jury wegen zu persönlichen und freien Interpretierens eliminiert wurde. Block (1937-2003) kreierte dabei so manchen Skandal, wie man sie auch später mit anderen Pianisten seines Kalibers kannte. Den Wettbewerb 1960 gewann kein anderer als Maurizio Pollini. Doch Arthur Rubinstein war es, der letztlich für den Preis mit seinem Namen fast so viel Aufmerksamkeit erregte als Pollinis Auszeichnung. Er vergab den Arthur Rubinstein-Preis beim Chopin Wettbewerb 1960 an Michel Block!
Die Aufnahmen auf den beiden CDs zeigen, wieso Block damals vor der Jury durchfiel. Derart exzentrische, für unsere Ohren aber durchaus noch in den Grenzen liegende Interpretationen müssen eine Klavierjury verwirren. Gleich in der Polonaise op. 53 spielt er, als gehe es um Leben und Tod, und später macht er auch die Etüde op. 10/4 zu einem Stück, dem man den Titel ‘Auf der Flucht’ geben könnte. Anderes wiederum gerät so langsam, dass die Melodielinien zu zerbröckeln beginnen. Und dennoch, was bei anderen Pianisten zur Show ausarten würde – und sie wissen, an wen ich denke – bleibt bei Block eine eminent künstlerische Angelegenheit von höchster Spontanität und interpretatorischer Ernsthaftigkeit.
Spannend ist auch die Interpretation des Klavierkonzerts op. 21, in dem der Pianist einen außergewöhnlich Sinn fürs Artikulieren und Nuancieren zeigt, mit sehr natürlich wirkenden Rubati und einer ständig packenden Innenspannung. Und selbst wenn man nicht mit allem einverstanden ist oder generell einen anderen Chopin bevorzugt: diese Aufnahmen sind total spannend und eine echte Bereicherung für jeden erfahrenen Chopin-Hörer.