Am Übergang vom neunzehnten ins zwanzigste Jahrhundert gab es in Italien eine Strömung noch romantisch komponierender Musiker und eine andere, die die Befreiung von der melodramatischen Musik hin zu einer auf Augenhöhe mit den großen Musiknationen Deutschland und Frankreich suchte. Zu dieser Gruppe der Neuerer gehört der Venezianer Gian Francesco Malipiero (1882-1973).
Das erste Streichquartett, ‘Rispetti et Srambotti’, geht auf ein beliebtes achtzeiliges Gedicht und Volkslied für Verliebte zurück. Dass dieser Verweis auf die Literatur nicht wörtlich zu nehmen ist, erkennt man daran, dass Malipiero zwanzig volkstümliche musikalische Gedanken verarbeitet. Auffällig ist die komplette strukturelle Abkehr von allen großen Vorbildern. Die Viersätzigkeit wird aufgegeben, Themen werden durch Motivhappen ersetzt, die Sonatenform fehlt.
Das letzte, vom 82-jährigen erschaffene Achte Quartett zeigt die Meisterschaft. Es ist mit 234 Takten das kürzeste und intensivste, in den Stimmen sorgfältig ausgearbeitet, wobei die Stimmen ihre Unabhängigkeit bewahren. Gewidmet ist es seiner langjährigen Patronin Elisabeth, der schon das erste Quartett gewidmet ist.
Die Sechste Symphonie für Streicher nimmt mit vier Sätzen, darunter ein schneller Satz in der Art eines Scherzos, die klassische Form auf. Dieser Satz zeichnet sich durch seine grelle, rhythmische und unendliche Energie aus. Der erste Satz mit seinen an barocke Strukturen erinnernden alternierenden Instrumentengruppen, solistischen Passagen und einer achttaktigen Eröffnung, die wieder kehrt, erinnert an die klassischen Originale seit Vivaldi. Vom Klangbild öffnet sich eine moderat moderne Welt, die dem Ohr eher schmeichelt als es anstrengt.
Die Quartette werden vom ‘Mitja Quartett’ gespielt, das seit seiner Gründung 2008 bei diversen namhaften Quartetten Erfahrungen gesammelt hat. Ihnen gelingt eine einwandfreie Interpretation. Die Symphonie wird vom ‘Orchestra Nazionale Artes’ unter der Stabführung von Andrea Vitello mit Spielfreude auf gutem technischem Niveau dargeboten.
One string symphony and two quartets by Malipiero are on the program of this attractive All-Italian CD. The works come from different periods and give a good impression of Malipiero’s development as composer.