Der deutsche Komponist und zugleich Präsident des Deutschen Komponistenverbandes Moritz Eggert hat einen offenen Brief veröffentlicht, in dem er sich vehement gegen die geplante Reform der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) wendet, eine Reform die ihm zufolge tiefgreifende Folgen für das Musikleben in Deutschland haben wird – vor allem für den Bereich der sogenannten E-Musik (Klassik, Neue Musik, Kirchenmusik, Jazz, experimentelle Elektronik u.a.).
Hier ist Eggerts Brief: « Am 14. Und 15. Mai wird es in diesem Jahr eine Abstimmung bei der GEMA-Generalversammlung geben, die eine massive Reform der Ausschüttung durchsetzen soll. Diese Reform ist in ihrer Tragweite für das Musikleben in Deutschland katastrophal und muss unbedingt verhindert werden.
Die Reform wird von einer kleinen Gruppe innerhalb der GEMA vorangetrieben, die nicht davor zurückschrecken, Neiddebatten und Grabenkämpfe zu benutzen, um ihre Agenda durchzusetzen. Über die wahren Hintergründe und die Gewinnler der Reform werden die GEMA-Mitglieder im Dunkeln gelassen und Fragen nach den Gründen für die Reform stets ausweichend beantwortet. Nicht nur das: die Vertreter der betroffenen Sparten wurden noch nicht einmal in die Gremien berufen, in denen die Reform entworfen wurde. Dies widerspricht dem Usus einer repräsentativen Demokratie wie auch dem Kulturauftrag der GEMA.
Dramatisch wird es nicht nur für Komponierende der sogenannten E-Musik (Orchestermusik, Kammermusik, Vokalmusik, experimentelle Musik, Kirchenmusik, Avantgarde und elektronische Musik), die mit Einkommenseinbußen bis zu 90% (!!!) rechnen müssen. Auch Kolleginnen und Kollegen aus der U- oder genreübergreifender Musik werden die Auswirkungen der Reform spüren, da Töpfe umverteilt werden sollen, die vorher getrennt waren. In der Kommunikation der GEMA wird klassische Musik nun als ‘Nischenrepertoire’ bezeichnet, unsere international hochangesehenen Spielstätten, Orchester und Ausbildungsinstitute werden durch die neue Abrechnung in Zukunft degradiert und bedeutungslos.
Die Reform zerstört ein bisher gut funktionierendes System, das förderte, ohne Geschmacksinstanz zu sein. Dieses soll nun ersetzt werden durch ein System, bei dem die GEMA mit Willkür über die ‘kulturelle Bedeutung’ von Spielstätten, der Qualität von Ensembles und den Wert sogenannter ‘Kulturkonzerte’ entscheiden will. Es droht ein Szenario, bei dem die GEMA nicht nur Tantiemen einnimmt, sondern ganze Genres nach Gutdünken marginalisiert oder links liegen lässt. Man nimmt Nachwuchskünstlerinnen- und Künstlern ihre Zukunft, weil Sozialleistungen massiv verringert werden. Die ohnehin schon Reichen sollen reicher werden, dabei bedient man sich an den Armen. Kurzum: die Reform zerstört die Zukunft von Menschen und bedroht ihre Lebensgrundlage, und dies zu einem Zeitpunkt, an dem die GEMA auf gute Jahre zurückblicken kann.
Wir sind Vertreterinnen und Vertreter der E-Musik und wehren uns nicht grundsätzlich gegen eine Reform der altmodisch gewordenen Begriffe ‘U’ und ‘E’-Musik.
Wir sehen aber auch, dass es sehr unterschiedliche Bedingungen gibt, unter der Musik komponiert und aufgeführt wird, und dass es Sinn macht, in einer Zeit von drohender Dominanz von KI-Musik besonders Kompositionen für z.B. Live-Ensembles wie auch experimentelle elektronische Musik, genreübergreifende Musik und Jazz zu unterstützen. Dies sollte inklusiver als bisher geschehen, könnte aber problemlos auf dem bestehenden erprobten System aufsetzen, ohne Gefahr zu laufen, ganze Sparten für immer zu zerstören.
Wir wollen die in der Vergangenheit zu streng gezogenen Grenzen öffnen und neue Begriffe finden für Musik, die alle Genres inspirieren und befruchten kann.
Was wir aber nicht wollen, ist eine Reform, die marginalisiert und ausgrenzt, die Existenzen zerstört, Chancengleichheit massiv verringert und Machtmissbrauch wie auch neuen Geschäftsmodellen Tür und Tor öffnet.
Die Reform ist in vielen Details unfertig und beinhaltet einen gefährlichen Machtzuwachs der GEMA in kulturellen Entscheidungen, in denen sie als Verwertungsgesellschaft nichts zu suchen hat. (…) «