Vom 4.-bis 290. August fand die 31. Ausgabe des von Jan Vogler geleiteten Moritzburg Festivals statt. Michael Oehme berichtet.
Es war eine geniale Idee, 1993 vor den Toren Dresdens das Moritzburg Festival zu gründen – nicht in der umtriebigen Großstadt, sondern an diesem traumhaft schönen Ort, wo sich sowohl die Musikerinnen und Musiker als auch das Publikum ganz auf die Musik konzentrieren können. Der Cellist Jan Vogler, sein Bruder, der Geiger Kai Vogler und der Cellist Peter Bruns waren damals die Gründer. Alle drei waren zu dieser Zeit Konzertmeister bzw. Solocellisten in der Staatskapelle Dresden. Und von Dresden aus, auf der Schlossallee auf das Jagdschloss August des Starken zuzufahren bzw. zu laufen. ist immer wieder ein Erlebnis. am schönsten vielleicht unmittelbar vor Konzertbeginn, wenn der ockerfarbene Bau mit seinen vier Ecktürmen von der Abendsonne angestrahlt wird.
Was dieses Festival von vielen anderen Kammermusikfestivals unterscheidet, ist das ‘Prinzip Moritzburg’, das dem berühmten Marlboro Festival in Amerika abgeschaut ist: Nicht feste Kammermusikformationen kommen nach Moritzburg, sondern Einzelkünstler, die sich erst hier und nur hier zum Duo, Trio, Quartett bis hin zum Oktett und Nonett zusammenfinden. Das macht diese Konzerte ungeheuer spannend und die Spontanität dieser in nur kurzer Zeit entstehenden Interpretationen überträgt sich auch auf das Publikum, das in Moritzburg eine besondere Art der Begeisterung entwickelt. Jedes Stück in jedem Konzert ist also anders besetzt. Jan Vogler, der seit 2001 die alleinige künstlerische Leitung hat, setzt dabei auf eine Mischung aus namhaften etablierten Künstlern und hochtalentierten jungen Musikern, die in Moritzburg entdeckt werden können.
So waren das beim Festival-Jahrgang 2023 Stammgäste wie Andreas Brantelid, Louis Lortie und Magali Mosnier und als „Neulinge“ die Geigerin Stella Chen, die Cellistin Sandra Lied Haga und die Bratscherin Sindy Mohamed, um nur einige zu nennen. Auch die Werkauswahl bestach in den insgesamt 14 Konzerten wieder durch eine erfrischende Mixtur aus erwartet Bekanntem und neu bzw. Wiederentdecktem. So kamen Standardwerke wie das B-Dur-Streichquintett von Brahms, das Es-Dur Klavierquintett von Schuman oder das g-Moll-Klaviertrio von Smetana zur Aufführung.
Andererseits ließ etwa das Klavierquintett in a-Moll von Edward Elgar aufhorchen – in einer hinreißend sinnlichen und zugleich tiefgründigen Interpretation durch Momo Kodama, Stella Chen, Kevin Zhu, Sara Ferrandez und Sandra Lied Haga. Und immer wieder eine Herausforderung für Zuhörende und Mitwirkende stellt das Streichtrio op. 45 von Arnold Schönberg dar – übrigens noch einmal in der gleichen Besetzung wie schon im Gründungsjahr 1993 des Moritzburg Festivals, im wahrsten Sinne „atemberaubend“ gespielt von Kai Vogler, Violine, Ulrich Eichenauer, Viola und Jan Vogler, Violoncello.
Parallel zu den Kammerkonzerten gibt es seit 2006 eine Moritzburg Festival Akademie, die immer in ein großes Orchesterkonzert, in diesem Jahr im Dresdner Kulturpalast, mündete. Webers Oberon-Ouvertüre, Max Bruchs Konzert für zwei Klaviere und Orchester sowie Dvoráks 7. Sinfonie standen auf dem Programm. 42 Musikerinnen und Musiker aus 16 Ländern waren daran beteiligt. Die musikalische Leitung hatte nun schon zum wiederholten Male Josep Caballé Domenech. Die Akademisten waren aber auch in die Kammerkonzerte einbezogen, zum Beispiel in Wagners Siegfried-Idyll in der kammermusikalischen Urfassung von 1869 und boten, ebenfalls als Entdeckung, eine äußerst klangschöne Wiedergabe des stark russisch gefärbten Streichoktetts D-Dur von Reinhold Glière. Apropos Streichoktett: Mit Felix Mendelssohn Bartholdys berühmtem Werk für diese Besetzung fand traditionsgemäß auch in diesem Jahr das Moritzburg Festival seinen Abschluss.