Moritzburg Festival
(c) Oliver Killig

Nun schon zum 32. Mal findet noch bis zum 18. August das von Jan Vogler initiierte und geleitete Kammermusikfestival Moritzburg vor den Toren Dresdens statt. Es zieht Künstler aus aller Welt an: junge, hoffnungsvolle neue und gestandene Wiederholungstäter, die immer wieder kommen wollen und sich zu ständig neuen Besetzungen in den einzelnen Werken vermischen. Michael Oehme berichtet.

Die aus der Straßenmusikszene hervorgegangene lettische Geigerin Kristine Balanas und der amerikanische Geiger Chad Hoopes avancierten schnell zu den Publikumslieblingen in diesem Jahr. Ulrich Eichenauer, Viola, seit 1993, also von Anfang dabei, genießt immer wieder diese besondere Atmosphäre des gemeinsamen Musizierens. Stephan Dohr, weltbekannter Solohornist der Berliner Philharmoniker seit 1993, will sie erstmals in dieser landschaftlich und kulturell einmaligen Umgebung erkunden.

Um ausschließlich junge Musikerinnen und Musiker handelt es sich bei der alljährlichen Orchesterakademie, die auch 2024 wieder von Josep Caballé Domenech geleitet wird. 36 Studenten aus 17 Ländern wurden aus 400 Bewerbungen ausgewählt. Die Akademisten erhielten auch ein eigenes Kammerkonzert auf der Nordterrasse von Schloss Moritzburg. Eröffnet wurde es mit einer Hamburger Sinfonie in F-Dur von Carl Philipp Emanuel Bach. Straff und äußerst präzise gespielt, unterstrich die Interpretation die Modernität der Musik des zweiten Sohnes von Johann Sebastian Bach. Es folgte die Bläserserenade c-Moll KV 388 von Wolfgang Amadeus Mozart. Mit ihr hatte sich Mozart am Hofe Joseph II. um einen Vertrag beworben. Das lebensfrohe Werk sollte äußerst populär werden und es gibt es auch in einer Fassung für Streichquintett. In der Moritzburger Aufführung stachen insbesondere die äußerst klangschönen und zugleich strahlenden Hörner von Pau Riedweg Canturri und Apollonia Meier hervor.

Moritzburg Festival
(c) Oliver Killig

Zum Höhepunkt des Abends wurde das Streichoktett von George Enescu. Das 1881 geborene musikalische Genie aus Rumänien kam ja bereits im Alter von sieben Jahren ans Konservatorium in Wien. 1900, mit 19 also komponierte Enescu sein Oktett für acht Streicher. Die Musik atmet den Geist des Fin du Siècle, man denkt an Arnold Schönbergs Verklärte Nacht, obwohl diese erst 1901 komponiert wurde. Enescu selbst sprach von „vier miteinander verbundenen Sätzen, die einen einzigen großen, extrem ausgeweiteten Sonatensatz bilden, aber gleichzeitig die Autonomie jedes Teils respektieren“. Schwelgerisch und ausdrucksstark ist die Musik. Im Finale mündet sie in einen geradezu infernalischen Walzer. Der möge zur Entstehungszeit des Werks dazu geführt, das Oktett als unspielbar zu erklären. Von 12 Proben kündeten aktuell die Moritzburger Akademisten und lieferten eine hinreißende Interpretation, bei der die sichtbare Spielfreude jegliche Schwierigkeit überdeckte. Hervorzuheben vielleicht die beiden ersten Geiger Gustavo Adolfo Gil Guanipa und Tiffany Yeung und die Cellistinnen Esther Chae und Henriette-Luise Knauer, die Waghalsiges vollbrachten. Jubel über Jubel.

An einem weiteren Abend nahm Festivalintendant Jan Vogler selbst sein Instrument in die Hand. Mit sonorem, ganz unparfümierten Ton spielte er den Cellopart in Serge Rachmaninovs Sonate g-Moll op. 19. Äußerst brillant war die Begleitung durch Tom Poster. Der britische Pianist war in diesem Jahr erstmals zu Gast beim Moritzburg Festival. Eine Rarität folgte mit der Suite op. 8 für Streichquintett von Alfredo d´Ambrosio. Der 1871 in Neapel geborene Komponist schrieb u. a. für Jascha Heifetz und auch für George Enescu. Er wurde nur 43 Jahre alt. Seine Suite op. 8 besteht aus vier lichten, heiteren Streicher-Miniaturen, eine Serenade eher, so recht geeignet für die laue Moritzburger Sommernacht. Dann ein Klassiker, das Streichquintett op. 77 von Antonin Dvorák. Solche Werke gehören natürlich dazu in Moritzburg. Chad Hoopes und Mira Wang, Viola, Lars Anders Tomter. Viola, Jan Vogler, Violoncello und Alexander Edelmann, Kontrabass spielten (mit Ausnahme des Bassisten) alle auf millionenschweren alten italienischen Instrumenten, Lars Anders Tomter auf einer Viola von Gasparo da Salo aus dem Jahr 1590 (!). Ungestüme Musizierlust bestimmte die Aufführung. Klanglich besonders berührend der langsame dritte Satz Poco Andante.

Moritzburg 2024 hat auch wieder einen Composer-in-Residence: Benjamin Scheer aus den USA. U. a. wird hier sein 2022 für das Santa Fe Chamber Music Festival geschriebenes Streichquartett seine europäische Erstaufführung erleben. Und mit besonderer Spannung wird im Abschlusskonzert des Festivals die Uraufführung seiner Komposition ‘Nachts im Monströsensaal’ für Streichoktett erwartet. Das Werk nimmt einerseits Bezug auf den Monströsensaal, den vielleicht spektakulärsten Ort im Moritzburger Schloß, wo die weltweit größten und abartigsten Hirschgeweihe platziert sind, andererseits will es sich mit dem berühmten Streichoktett Es-Dur von Felix Mendelssohn Bartholdy messen, mit dem das Moritzburg Festival alljährlich abgeschlossen wird.

  • Pizzicato

  • Archives