Musik auch bei eher langsamen Tempi im Fluss zu halten und ohne Effekte die Lebendigkeit zu wahren, sind Merkmale von Kurt Sanderlings Interpretationen. Dabei fällt auf, dass der Dirigent sowohl in Live- wie auch in Studio-Aufnahmen der Musik stets den Touch von Spontaneität, ja fast von Einmaligkeit des Ausdrucks gibt.
Höchste Transparenz und das brillante Herausarbeiten der Nebenstimmen kennzeichnen die Vierte Symphonie von Anton Bruckner. Sanderlings detailgenaue Arbeit ohne jede Härte, mit geschmeidigem Klang, bringt Bruckners Ringen mit der Materie und seinen beschwerlichen, zweifelnden Weg zum Finale meisterhaft zum Ausdruck. Das Symphonieorchester des BR spielt spannungsgeladen, opulent und mit heiligem Ernst. Eine eminent noble und fein abgetönte Wiedergabe!
Sehr entspannt, beschaulich, um nicht zu sagen behäbig kommt Beethovens Pastorale daher. Das gilt zum Teil auch für das Doppelkonzert von Johannes Brahms, aber hier erreicht der Cellist Antonio Meneses eine Ausdruckstiefe, die im Zusammenspiel mit dem Orchester für direkt magische Momente sorgt. Solche Momente gibt es auch immer wieder in den vier Brahms-Symphonien, die sonst zwar recht fett wirken, aber eben doch interessant durch unerwartete Dynamikveränderungen und Rubati.
In den beiden Rachmaninov-Konzerten hört man wie gebannt dem Spiel des Pianisten zu. Mit Svjatoslav Richter gibt es klanglich bessere Einspielungen der beiden hier gespielten Konzerte (Nr. 1 & 2), aber diese russischen Dokumente mit einem etwas unausgeglichenen Klangbild haben interpretatorisch gesehen etwas mehr Frische und Spontaneität als die späteren Aufnahmen. In ihrer Leidenschaftlichkeit und ihrem Nuancenreichtum sind es ganz exzeptionelle Interpretationen, die sehr evokativ sind und streckenweise eine mysteriöse Tiefe erlangen.
Drei schlanke, auffallend helle und effektvoll gestaltete Rachmaninov-Interpretationen füllen die drei letzten CDs dieser Sanderling-Edition.